Sustainable production & energy technologies
Es waren einmal wenige große Apfelbauern, die viele billige Äpfel anbauten. Diese waren billig (drei Euro das Kilo, zuzüglich Transport), aber mit vielen Pestiziden angebaut und belastet. Viele Untertanen sahen das mit den Pestiziden kritisch. Da dachte der König bei sich: „Das muss ich doch nutzen, um beliebter zu werden! Das muss doch auch ökologischer gehen!“ Und er bot allen Untertanen mit einem Garten an, doch biologisch Äpfel anzubauen. Für das Kilo sollten sie garantiert neun Euro bekommen. Sein Ziel war, dass irgendwann alle Äpfel pestizidfrei seien.
Die Guten und die Schlechten
Die großen Apfelbauern fanden die Idee des Königs doof. Seinem Logistiker sagte der König, dass dieser zukünftig die Äpfel auch bei den neuen Baumbesitzern abholen solle. Der murrte etwas, wegen des zusätzlichen Aufwands. Aber es sagte zu. Jedenfalls solange er dieselben Lastwagen nutzen dürfe, also pestizidbelastete bzw. pestizidfreie Äpfel nicht trennen müsse und gemeinsam transportieren respektive verkaufen könne. Außerdem wolle er auch weiterhin seinen Wegzoll von einem Euro pro Kilogramm. Die Leute mit den Gärten fanden die Entscheidung natürlich toll. Und alle Untertanen fanden gut, dass es den bösen Bauern und den Pestiziden an den Kragen gehen sollte. Den König fanden sie natürlich auch gut und dieser sich selbst sehr schlau.
Der König zahlt drauf
Nun bauten alle, die einen Garten hatten, Äpfel an. Sie bekamen die versprochenen neun Euro pro Kilo. Der Logistiker holte ab und verkaufte die Äpfel am Markt. Allerdings bekam er dort nur drei Euro je Kilo. Plus den einen Euro Wegzoll. Die sechs Euro Unterschied musste der König aus seiner Schatzkammer begleichen. Das fand der König doof. Also befahl er, dass diese Differenz zukünftig per Apfel-Ökozuschlag auf all diejenigen umgelegt werde, die keinen eigenen Apfelbaum hatten, und daher Äpfel am Markt kaufen mussten. Die Schatzkammer leerte sich nicht weiter, der König war wieder froh. Und so funktionierte es eine Weile ganz gut.
Irgendwie alles doof
Irgendwann wurde die Hälfte aller Äpfel ökologisch in kleinen Gärten produziert. Durch die Apfelsteuer kostete der Apfel nun aber für den Endverbraucher zehn Euro das Kilo. Tatsächlich zwei Euro die Äpfel selbst, weil es nun in Summe mehr Äpfel gab und der Apfelpreis gefallen war. Jedoch kamen sieben Euro Apfel-Ökozuschlag oben drauf und der eine Euro Wegzoll. Das fanden nun (fast) alle doof: Die Kunden, weil es teuer war. Der Logistiker, weil er nun in alle Gärten musste anstatt nur zu den Großbauern und alles bei gleichem Entgelt viel aufwändiger war. Die Großbauern, weil sie nun weniger verdienten: Weniger Menge bei niedrigerem Preis. Außerdem lohnte es sich für die Großbauern nun nur noch mit den ganz giftigen Pestiziden zu arbeiten, sonst ließ sich bei zwei Euro kein Geld mehr verdienen. Nur die kleinen Baumbesitzer, die fanden das nicht doof. Die saßen apfelessend unter ihren Bäumen und zählten ihr Geld.
Systemversagen
Da befahl der König: „Alle, die jetzt noch einen Baum anpflanzen, bekommen zukünftig nur noch zwei Euro pro Kilo!“ Das fanden die neuen Baumbesitzer etwas doof. Aber immerhin bekamen sie selbst die Äpfel umsonst. Allerdings gab es nun im Herbst zu viele Äpfel und sie vergammelten, da der Logistiker die alle gar nicht mehr abholen konnte. Dennoch mussten die Äpfel bezahlt werden. Wenn keine Erntezeit war, mussten die großen Apfelbauern – die mit den Pestiziden – wieder liefern, bekamen aber halt auch nur zwei Euro. Und die Kunden am Markt zahlten in Summe weiter ihre zehn Euro. Irgendwie funktionierte das gesamte System nicht mehr. Es drohte in Komplexität und verstopften Lieferwegen unterzugehen. Das war nun wirklich für alle doof. Auch für den König, weil viel gemurrt wurde.
Der Nachbar soll’s richten
Da ging dann irgendwann ein Nachbar ohne Baum zu dem Nachbarn mit Baum und sagte: „Du hast doch Äpfel, für die Dir der Logistiker zwei Euro zahlen würde und die sogar oft nicht abgeholt werden? Gib mir davon doch welche. Ich zahle dir sechs Euro. Das ist für beide von uns ein Geschäft! Du bekommst mehr als vom Logistiker und ich muss keine zehn Euro zahlen. Außerdem hole ich die Äpfel garantiert ab und sie vergammeln nicht mehr.“ Der Nachbar mit dem Baum fand die Idee toll. Der Logistiker eher nicht. Denn er bekam nun ja keinen Wegzoll mehr für diese Äpfel. Er redete also mit dem König und dieser sagte: „Ihr Nachbarn, ihr könnt das machen, ihr müsst aber trotzdem Apfel-Ökozuschlag zahlen. Und Ihr dürft das nur machen, wenn der Nachbar ohne Baum verspricht, nur noch Äpfel direkt vom Baum zu nehmen. Und nie wieder am Markt einkauft, außer der Logistiker stimmt zu.“ Blöd allerdings: Der Logistiker wollte das so gar nicht – wegen des entgangenen Wegezolls.
Macht doch, was ihr wollt
Eine ziemlich verquaste Situation. Irgendwer war immer sauer. Die Kunden, die Großbauern, der Logistiker, die Gartenbesitzer. Der König war genervt. Er hatte sich das viel einfacher vorgestellt. Das Ziel, irgendwann einmal nur noch pestizidfreie Äpfel zu haben, war auf einmal in weiter Ferne. „Macht doch, was ihr wollt!“, schmollte der König, „Hauptsache ich bekomme weiter die Apfel-Ökozuschlag!“. Ende der Geschichte.
Analogie zur Energiewende
In so einer Situation befinden wir uns derzeit in der Energiewende. Die Mechanismen, die am Anfang gut funktionierten, versagen zusehends. Eine mögliche Lösung kann der Gesamtumbau des Systems sein, in dem man als Regelfall „die Äpfel direkt vom Nachbarn bekommt“. Außer, er hat keine. Dann bekommt man eine Lieferung vom Logistiker. Der braucht dann aber etwas mehr zum Überleben, als nur den „Wegzoll für die gelieferten Äpfel“, was in der realen Welt die Netznutzungsentgelte sind. Und auch unsere Regierung würde sich von der liebgewonnenen Erneuerbare-Energien-Zulage wohl verabschieden müssen.
Best Practice in Pfarrkirchen
Ein solches Projekt haben wir am European Campus nun in Pfarrkirchen erfolgreich etabliert. Ein Wasserkraftwerk liefert direkt über ein eigenes Kabel an ein Wohnhaus. Damit es keine Probleme durch diesen „Kurzschluss im Netz“ gibt, sorgt eine neue, prototypische Kopplungstechnik der Firma Pionierkraft aus München für den störungsfreien Betrieb. Wenn das Wasserkraftwerk nicht genug liefern kann oder ausfällt, übernimmt nahtlos der „Logistiker“. In diesem Fall die Stadtwerke Pfarrkirchen, die für unseren Prototyp auf Ihren „Wegzoll“ verzichten. Das Ganze konnten wir als Kooperation des Erzeugers Erich Nöbauer, der THD, der Firma Pionierkraft aus München sowie der Stadt und den Stadtwerken Pfarrkirchen aufbauen. Bisher funktioniert das sehr gut. Seit November 2020 werden mehr als 90 Prozent der Energie des Hauses direkt vom Wasserkraftwerk bezogen. In einem nächsten Schritt sollen drei weitere Haushalte angeschlossen werden. Dies könnte ein Modell für die Zukunft werden – allerdings müssten sich dann ein paar Sachen in der Regulierung ändern, damit alle Spaß daran haben können. Aber der König schmollt ja nun und irgendwie haben sich alle an dieses kranke System gewöhnt.
Sascha Kreiskott
Sascha Kreiskott ist promovierter Experimentalphysiker. Nach Promotion und Postdoc in den USA arbeitete er viele Jahre als Berater und Manager in der Energiewirtschaft. Seit drei Jahren ist er Professor an der Technischen Hochschule Deggendorf und beschäftigt sich in seiner Forschungstätigkeit mit Themen rund um die Energiewende und die Steuerung regenerativer Energieerzeuger.