Noch ein Artikel über Pflege, über den Pflegenotstand, die ermüdenden Arbeitsbedingungen? Nein, diesmal nicht. Ich möchte euch zeigen, dass es in der Pflege nicht nur Unmut und Beschwerden gibt. Vor allem in der jungen Generation, die auf den Zug der Akademisierung aufgesprungen ist und aufspringen wird, gibt es nämlich viele Menschen, die etwas verändern und bewegen wollen und dafür die nötige Qualifikation erreichen möchten. Warum? Um euch allen, liebe Leserinnen, liebe Leser, irgendwann einmal im Leben, in einer Zeit der Pflegebedürftigkeit, eine umfassende pflegerische Versorgung zu bieten. Auch oder vielmehr besonders im ländlichen Raum, wo es in naher Zukunft definitiv eine Menge Handlungsbedarf geben wird. Ihr fragt vielleicht, was es euch nutzen könnte, studierte Pflegefachkräfte auf dem Markt zur Verfügung zu haben. Genau darüber möchte ich hier ein wenig erzählen: schon einmal etwas von Pflegediagnosen gehört? Von Community Health Nurse? Von einem ganzheitlichen Pflegeansatz oder evidenzbasierter Pflege? Na dann mal los…
Ganzheitliche Pflege mit Evidenz
In unserem Studium an der THD lernen wir evidenzbasiert zu arbeiten. Das heißt, wir lernen fallbezogene Studien zu finden, auszuwerten und daraus ableitend jene Pflegemaßnahmen auszuwählen, welche die bestmögliche Versorgung unserer Patientinnen zum Ziel haben. Wir lernen, wie wir unsere Patienten am besten betreuen können, indem wir versuchen, nicht nur die Erkrankung alleinstehend zu sehen, sondern die Menschen in ihrer Ganzheit wahrzunehmen. Mit allen sozialen Aspekten und allen Umweltfaktoren. Mit ihren Einstellungen und Werten, den psychologischen und körperlichen Gegebenheiten. Dann erarbeiten wir gemeinsam mit ihnen einen Weg, wie sie mit ihrer Erkrankung oder Behinderung umgehen, wie sie ihre Gesundheit verbessern und wie sie wieder am Leben teilhaben können.
Pflege im Paragrafen-Dschungel
Wart ihr schon mal in der Situation, dass ihr nach einer Erkrankung oder einem Unfall vor einer riesigen Hürde standet und nicht wusstet, wie ihr euer Leben jetzt gestalten und meistern sollt? Oder das einer lieben Angehörigen? Mit einem Berg von Anträgen für verschiedene Behörden, Krankenkassen, Pflegekassen auf dem Tisch? Wäre es da nicht schön, jemanden zu haben, der euch durch solch einen Dschungel begleitet? Der euch sagt, wo ihr was beantragen könnt? Wo es Unterstützung gibt und auch nach einem Krankenhausaufenthalt sichergestellt wird, dass die Versorgung zu Hause bestmöglich gesichert ist? Genau hier liegt eine Chance von Pflegefachkräften mit einem Masterabschluss. Von solchen könntet ihr dann nämlich alle Informationen rund um eure Versorgung aus einer Hand erhalten. Die Weichen für eine solche Anlaufstelle sind von Seiten der Politik gestellt. Teilweise wenigstens. Im Sozialgesetzbuch XI, Paragraph 7a wird die Erbringung der Pflegeberatung durch eine Pflegefachkraft ausdrücklich geregelt. Auch das 2020 reformierte Pflegeberufegesetz sieht eine Weiterqualifizierung und akademische Professionalisierung der Pflegefachkräfte vor, um die Primärversorgung zu gewährleisten.
Immer da: Community Health Nursing
Gerade in Zeiten wie jetzt, in der Corona-Pandemie, gewinnen vor allem digitale Lösungen zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen des Studienmoduls Familien- und Gemeindenahe Pflege brachten uns die Dozentinnen Dr. Christine Aumer und Elisa Johannsdottir Möglichkeiten näher, mit denen eine flächendeckende Versorgung gelingen kann. Beispielsweise indem wir als Pflegefachkräfte zusammen im interdisziplinären Team wohnortnah für die Menschen da sind. Prof. Dr. Thomas Fischer von der Evangelischen Hochschule Dresden stellte uns seine Vision von Community Health Nursing vor, wie sie schon in vielen Ländern existiert. Der Begriff steht für eine kommunale Versorgung, die explizit durch Gesundheits- und Krankenpfleger und -innen geleistet wird. Prof. Fischer demonstrierte uns, wie diese Art der Versorgung vor allem im ländlichen Bereich funktioniert. Nämlich mit der Einrichtung von Gesundheitszentren, in denen Pflegefachkräfte mit akademischer Ausbildung die Koordination und Versorgung von beispielsweise chronisch kranken Personen sicherstellen. Von Menschen mit Diabetes oder mit chronischen Wunden - als erste Anlaufstelle und wohnortnah. Eine digitale Patientenakte, vernetzt mit einem digitalen Sensor, wie es ihn für Diabetiker bereits gibt, könnte allen Beteiligten des Gesundheitsteams zur Verfügung stehen und eine kontinuierliche Versorgung gewährleisten. Digitale Pflegesprechstunden könnten denjenigen helfen, denen es gerade nicht möglich ist, mit dem Auto in die nächste größere Stadt zu fahren, um etwaige Gesundheitsschäden frühzeitig zu erkennen, abzuwenden oder abzumildern. Wäre es nicht toll, wenn sich eure Community Health Nurse, regelmäßig erkundigt, wie es euch gerade geht? Was ihr im Moment braucht, um weiter euren Weg zu einer verbesserten Gesundheit gehen zu können? Die euch berät, wie ihr möglichst lange eure Gesundheit erhalten und in eurem eigenen Zuhause selbstbestimmt leben könnt? Der vielleicht auch die wertvolle Zeit aufbringt, sich mit euch zu unterhalten, weil es zu Hause manchmal einsam werden kann im Alter?
Modernes Gesundheitssystem einfordern
Unsere Professorinnen und Dozenten der Technischen Hochschule Deggendorf bringen immense Begeisterung für den Pflegeberuf mit. Gepaart mit Visionen einer modernen Pflege, in welcher der Mensch im Mittelpunkt steht. In der innovative Lösungen die Versorgung verbessern, wenn wir aus den alten Schranken der Pflege ausbrechen und unser Gesundheitssystem neu organisieren. Wir alle sind hoch motiviert und engagiert, euch wann auch immer diejenige Pflege zukommen zu lassen, die ihr verdient. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ihr und wir gemeinsam den Verantwortlichen in der Politik ganz deutlich sagen, was ihr braucht und was wir dafür leisten können.
Stephanie Six
Stephanie Six ist Studentin des Studiengangs Pflege an der Fakultät für Angewandte Gesundheitswissenschaften der Technischen Hochschule Deggendorf. Im Sommer 2021 hat sie ihren Abschluss zur Examinierten Gesundheits- und Krankenpflegerin in den Rottal-Inn Kliniken gemacht und studiert nun noch drei Semester berufsbegleitend, um den Abschluss Bachelor of Science Pflege zu erreichen.