Wir kennen es alle, wenn man plötzlich das Fenster putzen oder die Wohnung aufräumen mit Spaß erledigt, dann ist es wieder so weit: man prokrastiniert. Auch ich habe mich in genau dieser Situation befunden, bevor ich mit diesem Blogbeitrag begonnen habe. Meine Wohnung ist jetzt wahrscheinlich so sauber wie nie. Der Blogbeitrag ist Prüfungsleistung des AWPs „Psychische Störungen im Spielfilm“. Die Aufgabenstellung war seit Anbeginn des Semesters klar, doch wer sitzt nun wieder zwei Tage vor Abgabe hier und versucht auf den letzten Drücker das Beste daraus zu machen? Richtig, ich. Was eignet sich da besser, als das Problem selbst zum Thema des Beitrags zu machen? Quasi das Problem mit dem Problem zu bekämpfen - meine Prüfungsleistung abarbeiten und gleichzeitig der Prokrastination durch das Thema Prokrastination ein Ende zu setzen. Klingt ein bisschen wie Kannibalismus.
Edwards Gesetz
Hinter dem ganzen Phänomen der Prokrastination steckt ein erforschtes Gesetz – das Edwards Gesetz. Es besagt: Der Zeitaufwand, den du in ein Projekt investierst, steigt umgekehrt proportional zur verbleibenden Zeit. Proportional? Was hat das mit Mathe zu tun? Eher steckt da Psychologie dahinter. Und die sehen wir uns jetzt genauer an. Mich würde nur der Teil der Außenstehenden als Prokrastinierer bezeichnen, der nichts auf die Kette bekommt. Manche bewundern sogar, wo ich meine Motivation hernehme. Aber wie kann mein Eindruck auf andere so gegensätzlich sein? Klar, es hängt immer damit zusammen, ob man gerade Bock auf die anstehende Aufgabe hat oder nicht. Je nach Kraftaufwand steckt dahinter die intrinsische oder die extrinsische Motivation. Intrinsisch ist es, wenn man etwas freiwillig gern macht. Die Folgen davon kennen wir alle: man hat mehr Spaß, positive Emotionen bei der Erledigung und allgemein ein positives Lebensgefühl. Die extrinsische ist logischerweise dann, wenn die Motivation nicht von allein da ist, sondern von außen zum Beispiel durch Bezahlung erzwungen werden muss. Da ist der Kraftaufwand deutlich höher, man muss sich regelrecht überwinden, die anstehende Aufgabe durchzuziehen. Das Beachtliche ist das Verhältnis der beiden zueinander.
Aus Leidenschaft wird Leiden
Man muss aufpassen, dass die intrinsische Motivation nicht einbricht. Denn wenn von außen die vorher gern getane Arbeit durch Bezahlung gestärkt wird und in eine Pflicht umgewandelt wird, könnte das mit der Zeit die Leidenschaft versauen. Dann wird aus Leidenschaft Leiden. Man macht anstehende Arbeiten nur noch wegen der Belohnung. Die intrinsische Motivation geht wegen der extrinsischen Belohnung verloren. Ein klassisches Beispiel, alle Studenten kennen sie: Ist das prüfungsrelevant? Weil sonst lerne ich das nicht! Im Kindergarten lernt man unheimlich gerne aus dem Grund, dass es Spaß macht, wenn etwas Neues klappt. Aber sobald Noten ins Spiel kommen, die Belohnung fürs Lernen, lernt man nur noch für Prüfungen. Beziehungsweise für die daraus resultierende Belohnung, also für Noten. Die intrinsische Motivation, etwas gerne zu lernen, geht oftmals verloren oder rückt zumindest in den Hintergrund.
The End für Prokrastination
Versucht es mal mit einer Art Tauschgeschäft. Hört sich illegaler an als es ist. Man muss sich nur jemanden suchen, mit dem man lästige Aufgaben tauscht. Ich zum Beispiel habe jemanden, der für mich meine Briefpost erledigt. Dafür führe ich unangenehme Telefonate für die Person. Denn für jemand anderen macht man Sachen lieber als für sich selbst. Denkt mal nach, wie oft ihr euren Geschwistern schon geholfen habt, obwohl ihr keine Lust darauf hattet. Könnt ihr euch auch noch dran erinnern, warum ihr das gemacht habt? Nein, nein, niemals ohne Gegenleistung. Da hat man dann verlangt, dass die euch auch bei etwas richtig Lästigem unterstützen. Also warum nicht die Tricks der Kindheit ins Erwachsenenalter übertragen?
Der zweite Tipp ist Outsourcing. Neben Mathe und Psychologie sprechen wir hier heute auch noch Wirtschaft an, richtig interdisziplinär. Nein, jetzt im Ernst. Die Definition von Outsourcing ist laut Oxford Languages „Auslagerung von bisher in einem Unternehmen selbst erbrachten Leistungen an externe Auftragnehmer oder Dienstleister“. Das heißt in unserem Kontext: such dir jemanden, der deine gehasste Aufgabe liebt, wenn es sein muss auch gegen Bezahlung, aber das ist einem ja dann jeden Cent wert. So funktionieren in der Regel Angestelltenverhältnisse.
Manchmal hilft nur noch, die Dinge zu akzeptieren - genauso auch Prokrastination, wenn sie nicht aufzuhalten ist. Denn im Grunde kann man es nicht nur als Nachteil sehen. Ich meine man versucht ja die Zeit anderweitig zu verschwenden und arbeitet dabei andere gehasste Erledigungen ab, wie bei mir das Fenster putzen und Wohnung aufräumen. Das hätte sowieso alles erledigt werden müssen. Zwar nicht gerade in der Hochphase der Prüfungsvorbereitung, aber irgendwann. So habe ich für irgendwann schon vorgearbeitet.
Zudem rate ich euch: macht euch das Machen leicht und das Aufgeben schwer. Um all die Prokrastinierenden, die lieber den Blogbeitrag durchlesen als produktiv zu sein, nicht ans Lernen zu erinnern, bringe ich nun ein anderes Beispiel als mich und meinen Blogbeitrag. Das Szenario ist: Man muss den Müll rausbringen. Aber allein die Tätigkeit, dass man dafür Schuhe anziehen muss, hindert einen daran. Leichter fällt es, schon Schuhe anzuhaben. Damit ist es schwerer, sich mit Schuhen auf die Couch zu legen und den Müll wieder nicht rauszubringen. Ich will dadurch jetzt keinen Streit mit euren Mitbewohnern oder Eltern anzetteln, die deswegen mehr putzen müssen, nur weil ihr wegen meinem Tipp rund um die Uhr eure dreckigen Schuhe tragt. Aber wenn ihr sowieso schon raus geht zur Hochschule oder euch mit Freunden trefft, nehmt den Müll mit. Meist liegen die Tonnen ohnehin am Weg. Wo wir vorher schon beim Hinlegen waren. Mein Lifechanger war es, gleich morgens nach dem Aufstehen das Bett aufzuschütteln. Gerade in meiner Studentenwohnung, wo der Schreibtisch in direkter Nähe zum Bett steht, ist die Verlockung riesig, sich, statt an den Schreibtisch zu setzen, unter der Bettdecke zu verkriechen. Wenn man sich aber einmal die Mühe gemacht hat, das Bett sauber zu verlassen, fällt es einem umso schwerer, das Kunstwerk wieder zu zerstören. Ihr denkt euch jetzt wahrscheinlich, dass die, die selbst am Prokrastinieren ist, uns Lesern Tipps geben will, wie man davon loskommt. Die Antwort ist: Ich bin noch im Prozess, bzw. Prokrastination ist ein andauernder Prozess mit vielen Rückfällen. Denn Disziplin ist wie ein Werkzeug im Werkzeugkasten. Man kann es nicht überall anwenden, aber irgendwo umso besser. Disziplin ist mal da, mal nicht. Sonst würden laut einer Studie nicht 80 bis 95 Prozent aller Studierenden von sich behaupten, zu prokrastinieren. Doch wie sieht es neben den Studierenden mit den Dozenten aus? Ob selbst diese am letzten Drücker die Prüfung erstellen? Das ist wohl das bestgehütete Geheimnis der Hochschulfamilie.
Anna-Lena Meier
Anna-Lena Meier ist Medientechnik Studentin im vierten Semester an der Technischen Hochschule Deggendorf. Sie prokrastiniert gerne mit Sport, Netflix oder Treffen mit ihren Freunden. Ein weiterer Grund, wegen dem sie aufschiebt, sind die endlosen Ohrwürmer von Partyhits in ihrem Kopf, wegen denen sie keine klaren Gedanken fassen kann.