Immer mehr Lebens- und Arbeitsbereiche sind digitalisiert. Computer, Roboter und andere Maschinen werden stetig schlauer und lernen mittlerweile sogar selbständig hinzu. Entsprechend werden zunehmend Tätigkeiten, die vormals den Menschen vorbehalten waren, nun automatisiert. Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis wir uns durch den Fortschritt selbst nutzlos machen? Offensichtlich ist, dass die Arbeit unserer Kinder anders aussehen wird, als die unserer Großeltern. Das bedeutet aber nicht, dass sie keine Arbeit mehr haben werden. Hier ein paar Gedanken, warum das so ist. Lehnt Euch zurück, Ihr müsst ein wenig mehr lesen als sonst.
Von der Antike zum Maschinensturm
Auch in der Vergangenheit war die Angst stets groß, dass durch technische Neuerungen die Menschen arbeitslos werden. Beginnend mit der Antike als der römische Kaiser Vespasian den Entwurf einer Maschine, die den Transport von Säulen erleichtern sollte, zwar belohnte, aber die Umsetzung schlussendlich ablehnte, weil er die Menschen weiterhin mit Arbeit versorgen wollte. Es war aber nicht nur der Protektionismus der Regierenden. Man denke nur an den Aufstand der Ludditen Anfang des 19. Jahrhunderts. Benannt nach ihrem mythischen Anführer Ned Ludd, zerstörten Textilarbeiter in Nottingham zahlreiche Maschinen, weil sie um ihre Arbeitsplätze fürchteten. Die maschinelle Textilfertigung etablierte sich im Zuge der ersten sogenannten industriellen Revolution. Dabei wurden die Produktionsprozesse durch die damals neuen Dampfmaschinen immer mehr mechanisiert.
Keynes lag falsch…
Im Lichte der Einführung der automatisierten Fließbandfertigung, der zweiten großen industriellen Revolution Anfang des 20. Jahrhunderts, formulierte der große englische Ökonom John Maynard Keynes vor über 80 Jahren die Befürchtung, dass es durch den technischen Fortschritt keine Arbeit mehr für die Menschen geben und die 15-Stunden-Woche normal sein wird. Wie wir heute wissen, hat sich diese Vorhersage nicht bewahrheitet.
…genau wie der SPIEGEL
Auch die dritte industrielle Revolution mit einer weitreichenden Veränderung des Wirtschaftsprozesses durch die Informationstechnologie schürte Ängste. So titelte das Nachrichten Magazin „Spiegel“ in einer Ausgabe des Jahres 1978 „Die Computer-Revolution: Fortschritt macht arbeitslos“. In der Realität haben uns die Informationstechnologien den Arbeitsalltag massiv erleichtert und uns produktiver gemacht. Gleichzeitig blieben die Büros weiterhin voll besetzt. Auch die Zeilen dieses Blog-Beitrags entstehen mit Hilfe der modernen Informationstechnologie.
Ein erstes Zwischenfazit
Was lehrt uns diese kurze historische Betrachtung? Vor der ersten industriellen Revolution hat ein Großteil der Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet. Dies war schon der Notwendigkeit geschuldet, dass nur so die Ernährung der Bevölkerung sichergestellt werden konnte. Thomas Robert Malthus formulierte in dieser Zeit auch die nach ihm benannte Malthusianische Falle. Er argumentierte dabei, dass die Versorgung mit Lebensmittel der restringierende Faktor für die wirtschaftliche Weiterentwicklung einer Gesellschaft sei, weil die Bevölkerung exponentiell anstieg, aber die Lebensmittelproduktion nur linear. Der menschliche Erfindungsreichtum hat Malthus widerlegt. Es waren immer weniger Menschen in der Lebensmittelproduktion notwendig. Die Menschen fanden Beschäftigung in der industriellen Produktion. Mit voranschreitenden technischen Neuerungen waren aber auch hier immer weniger Arbeitskräfte notwendig. Gleichzeitig stieg aber die Beschäftigung im Dienstleistungsbereich immer weiter an. In entwickelten Ländern ist heute nur noch ein Bruchteil der Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt, die Arbeit ist uns aber nie ausgegangen.
Bild: Michal Jarmoluk @Pixabay
Die 4. Revolution
Kommen wir in die Gegenwart. Wir sind in der so genannten vierten industriellen Revolution und befürchten wieder, dass uns die Arbeit ausgeht. Völlig richtig ist, dass sich die Arbeitswelt massiv verändert. Insbesondere Routinetätigkeiten, mit immer gleichen Abläufen, lassen sich mittlerweile sehr gut durch Computerroutinen beschreiben. Entsprechend werden diese Tätigkeiten zusehends automatisiert und digitalisiert. Das heißt, die Tätigkeiten werden direkt von programmierten Maschinen übernommen. Klassischer Weise denkt man dabei an den Roboter, der die fleißige Arbeiterin oder den fleißigen Arbeiter am Fließband ersetzt hat. Aber auch die Überprüfung der Kreditwürdigkeit kann mittlerweile durch einen Algorithmus beschrieben werden.
Algorithmen auf dem Vormarsch
Es geht jedoch noch weiter. Das Vordringen der Automatisierung beschränkt sich mittlerweile nicht nur auf Routinearbeiten. Auch manuelle Tätigkeiten ohne Routinen werden mittlerweile von Maschinen übernommen. Ganz eindrücklich finde ich hier das Beispiel des Roboters, der selbständig Windräder erklimmt, um dort Wartungsarbeiten durchzuführen. Selbst kognitiv anspruchsvolle Aufgaben, die nicht durch Routinen beschreibbar sind, können mittlerweile ohne menschliches Eingreifen erledigt werden. Denkt an Filmvorschläge eures Streamingdienstes oder an akustische Suchanfragen an das neuste Smartphone eurer Wahl. Weiterhin ermöglichen ausgeklügelte Algorithmen ja schon geraume Zeit maschinelles Lernen und damit auch die Übernahme von noch komplexeren Aufgaben. So ist selbst das Stellen von medizinischen Diagnosen und das Ausarbeiten von Behandlungsplänen mittlerweile automatisierbar. In der praktischen Umsetzung geschieht dies in Deutschland aber natürlich nie ohne eine Ärztin oder einen Arzt.
Dezentralisierung durch Technik
Durch selbst miteinander kommunizierende Maschinen automatisiert sich zudem der Produktionsprozess zusehends. Es braucht fast keine menschliche Steuerung mehr, damit die Just-in-time Produktion läuft. Eine Maschine meldet einfach einer anderen Maschine oder einem Lieferanten, dass in absehbarer Zeit zum Beispiel Material benötigt wird und automatisch wird die Lieferung veranlasst. Auch vereinfacht die Digitalisierung die nationale und internationale Arbeitsteilung. Es ist mittlerweile kein Problem mehr, bestimmte Arbeitsschritte zu Dezentralisieren und wieder zusammenzuführen. So kann beispielsweise ohne Probleme eine bestimmte Software in Indien programmiert und dann in Echtzeit bei einem Technologiegiganten in den USA weiterverwendet werden. Auch der technische Support für Produkte muss nicht mehr zwingend im eigenen Land sitzen.
Also halten wir fest, immer mehr Tätigkeiten werden von Maschinen übernommen und sind leichter ins Ausland zu verlagern. Also geht uns doch die Arbeit aus? Die Antwort ist immer noch „nein“. Es ergeben sich durch die Veränderungen am Arbeitsmarkt zwar Herausforderungen, aber auch große Chancen.
Bild: Peter H. @Pixabay
Kreative Zerstörung
Zunächst sind Veränderungen der Wirtschaftsstruktur und damit auch von Arbeitsplätzen nichts Neues und auch nichts Schlechtes. Bestehende Unternehmen werden vom Markt verdrängt, gleichzeitig treten aber auch ständig neue und innovativere Unternehmen in den Markt ein. So bestellen wir mittlerweile nichts mehr aus mehreren Kilogramm schweren Katalogen, sondern beim Online-Händler unseres Vertrauens. Bereits in den 1940er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts hat der österreichische Ökonom Joseph Alois Schumpeter diesen Vorgang mit der kreativen Zerstörung beschrieben. Der technologische Fortschritt führt dabei gleichzeitig auch dazu, dass wir mit weniger menschlicher Arbeitskraft immer mehr herstellen können.
Immer mehr
Warum wir trotz der stetig steigenden Produktivität nicht weniger Arbeit haben, hat David Autor vom MIT sehr passend zusammengefasst – wir können einfach nicht genug kriegen! Berechnungen für die USA zeigen, dass heute ein Viertel der Arbeitszeit ausreichen würde, um den Lebensstandard von vor 100 Jahren sicherzustellen. In Europa und Deutschland sollten die Größenordnungen sehr ähnlich sein. Wir geben uns aber nicht damit zufrieden und wollen eben stets mehr und höherwertige Waren und Dienstleistungen konsumieren. Diese können wir uns aufgrund der gestiegenen Produktivität auch leisten. Wir arbeiten aber nicht weniger, sondern fragen mehr nach, wodurch auch die Beschäftigung gesichert ist.
Berufe gehen…
Wir fragen aber nicht nur immer mehr nach, es verändern sich auch unsere Lebensumstände fortlaufend. Entsprechend wandeln sich auch ständig die Struktur der Beschäftigung und die Tätigkeiten, die wir ausführen. Bestimmte Berufe sterben aus bzw. die Tätigkeitsstruktur innerhalb eines Berufs verändert sich zusehends. So arbeitet hierzulande niemand mehr in historischen Berufen wie Köhler oder Wagner, aber auch nicht in jüngeren Berufen wie Schrankenwärter oder Aufzugführer. Beispiele für die Veränderung der Tätigkeitsstruktur finden sich ebenso viele. So ist seit 2013 in Deutschland keine Ausbildung mehr zur Fotolaborantin oder zum Fotolaboranten möglich. Diese ist in der Ausbildung Mediengestaltung aufgegangen. Denken wir auch an klassische Handwerksberufe wie die Tischlerei. Den Beruf gibt es schon sehr lange, aber der Arbeitsalltag hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten doch stark verändert. Die Technisierung hat auch in Handwerksberufe Einzug gehalten. Die Aufgaben für die Tischlerin und den Tischler werden damit noch anspruchsvoller und wohl auch vielseitiger.
…Berufe kommen
Neben der Destruktion von Jobs im schumpeterschen Sinne entstehen aber auch Arbeitsplätze. Viele Jobs, die wir heute als völlig normal ansehen, gab es vor zehn oder 15 Jahren überhaupt nicht. Da fallen mir unter vielen anderen all die Beschäftigten in der App-Entwicklung ein, im Social-Media Bereich und bei der Analyse von großen Datenmengen. Insgesamt ist es so, dass wir, abgesehen von dem aktuellen Rückgang aufgrund der COVID-Pandemie, gerade eine Rekordbeschäftigung erleben. Dies ist tatsächlich ein langfristiger Trend, aber schauen wir uns die letzten zehn Jahre mal konkret an. Bis zum ersten Pandemiejahr 2020 sind die gearbeiteten Stunden in Deutschland fast stetig angestiegen. Gleichzeitig sind rund fünf Millionen neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstanden. Die Bevölkerung im sogenannten erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 ist dagegen nahezu konstant geblieben.
Wir können also festhalten, dass uns die Arbeit nicht ausgehen wird, auch weil wir in Deutschland und alle Menschen auf der Erde einen immer besseren materiellen Lebensstandard haben wollen. Das ist nichts Schlechtes und geht auch ökologisch nachhaltig, aber dazu ein anderes Mal mehr. Aber wozu führen die Veränderungen am Arbeitsmarkt? In welchen Bereichen entstehen neue Jobs und wo werden welche abgebaut?
Bild: Branko Stancevic @Unsplash
Skill-biased technological change
Oben habe ich ja bereits ausgeführt, dass besonders programmierbare Routine-Tätigkeiten verdrängt werden. Man spricht hier vom routine-biased technological change. Zudem profitieren sehr gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders vom technologischen Wandel, da diese durch die Nutzung der neuen Technologie produktiver werden. Hierbei spricht man vom skill-biased technological change. Dies schlägt sich in einer quasi Vollbeschäftigung und seit langem guten Lohnzuwächsen nieder. Auch die Gesamtbeschäftigung im hochqualifizierten Segment steigt an. Hier entstehen ständig mehr Beschäftigungsverhältnisse.
Job-Polarisierung
Es ist aber nicht so, dass vor allem wenig qualifizierte Arbeitskräfte unter dem technologischen Wandel zu leiden haben. Vielmehr sind sehr häufig Jobs im mittleren Qualifikationssegment betroffen. Denkt mal an die Bankangestellten oder die Beschäftigten im Einzelhandel. Beides sind Bereiche, die sich immer mehr in die digitale Welt zurückziehen. Folglich spricht man auch von einer so genannten Job-Polarisierung. Das heißt, sehr gut ausgebildete Arbeitnehmer profitieren sowieso, aber auch die eher niedrig qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht so stark vom technologischen Wandel betroffen. Getroffen werden im wesentlichen Personen im mittleren Qualifikationssegment. Warum ist das aber so?
Flaschenhälse der Ingenieurskunst et al.
Trotz der voranschreitenden Entwicklungen gibt es Bereiche, die auch auf absehbare Zeit nur schwer durch maschinelle Routinen ersetzt werden können. Diese findet man vor allem in sehr hoch qualifizierten Jobs, aber auch, in geringerem Ausmaß, bei niedrig qualifizierten Jobs. Man spricht dabei von Flaschenhälsen der Ingenieurskunst. Ganz grob kann man diese schlecht ersetzbaren Fähigkeiten in drei große Bereiche einteilen.
Zum einen ist dies der Bereich der Wahrnehmung und Manipulation. Damit ist die uns Menschen eigene Fingerfertigkeit und das handwerkliche Geschick ebenso gemeint, wie das Zurechtfinden in unstrukturierten Umgebungen. Ein unordentliches Zimmer aufzuräumen, fällt uns nicht schwer. Es in einem Algorithmus zu beschreiben, ist allerdings nicht einfach. Der nächste große Bereich ist die kreative Intelligenz. Darunter ist alles gefasst, was mit Originalität und Kunst beschrieben werden kann. Auch eine sehr leistungsstarke künstliche Intelligenz kann nur aus bereits vorhandenen Daten lernen. Ganz neue Situationen können wir Menschen viel besser meistern. Auch die Genialität und Kreativität eines Gerhard Richter, Bob Dylan oder Hermann Hesse sind wohl nur schwerlich maschinell beschreibbar. Der dritte große Bereich ist die soziale Intelligenz. Dazu gehören die soziale Wahrnehmung, das Verhandeln und Überzeugen sowie die Fürsorge für andere Menschen. Das Erkennen von Emotionen und auch das empathische Eingehen auf das menschliche Gegenüber sind zum einen bei allen Pflege- und Erziehungsberufen sehr wichtig, aber auch in der Vermittlung von Wissen. Zum anderen ist gerade Verhandeln und Überzeugen im Wirtschaftsgeschehen von herausragender Bedeutung.
Aber nicht in allen Jobs finden sich große Anteile der gerade beschriebenen Tätigkeitsfelder. Entsprechend werden diese wegfallen bzw. sich sehr stark verändern. Es ist aus diesem Grund extrem wichtig, ständig dazuzulernen und sich auf neue Umstände einzustellen. Bildung muss in jedem Lebensalter eine große Bedeutung haben.
Bild: Kelly Neil @Unsplash
Von Lehrern und Gurken
Durch die neuen technischen Möglichkeiten ergeben sich aber auch sehr große Chancen. Schon immer hat uns der technische Fortschritt entlastet und produktiver gemacht. Betrachtet nur an die großen Entlastungen in der Landwirtschaft und in der Industrie. Die freiwerdende Zeit können wir anderweitig verwenden und die Möglichkeiten zur Entlastung werden ja, wie beschrieben, immer mehr. Muss eine Lehrkraft keine Hausarbeiten mehr korrigieren, weil das eine Künstliche Intelligenz für sie übernimmt, hat sie mehr Zeit, sich um die individuelle Betreuung der Schülerinnen und Schüler zu kümmern. Wenn wir bei dem Beispiel bleiben, kann die künstliche Intelligenz auch dahingehend unterstützen, dass durch die Korrektur individuelle Schwächen der Schülerinnen und Schüler aufgezeigt und gegebenenfalls auch Vorschläge zur Adaptierung der Lehrpläne gemacht werden. Ein weiteres prominentes Beispiel ist der Fall des Japaners Makoto Koike. Dieser hat seinen Job in der Automobilindustrie aufgegeben, um seine Familie beim Gurkenanbau zu unterstützen. Ihn ärgerte, dass er sich nicht auf die Zucht konzentrieren konnte, weil er mit dem Sortieren der Gurken beschäftigt war. Familie Koike unterscheidet bei ihren Gurken neun verschiedene Qualitätsklassen. Das Sortieren ist aber relativ kompliziert, so dass auch keine angelernten Saisonarbeitskräfte denkbar waren. Kurzerhand entwickelte er eine Maschine, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz lernte, die Gurken in die unterschiedlichen Qualitätsklassen einzuteilen und Makoto Koike konnte sich auf die Zucht konzentrieren.
Mensch und Maschine
Generell können wir durch das Zusammenspiel von Mensch und Maschine riesige Vorteile ziehen. Denkt in einem einfachen Beispiel an euer Navigationssystem im Auto, das, gegeben der aktuellen Verkehrssituation, eure Route automatisch anpasst. Künstliche Intelligenz kann aber auch sehr hilfreich sein, um uns aktiv zu unterstützen, da wir nicht immer vollständig konzentriert sind und rational handeln.
Die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky haben eindrucksvoll dargelegt, dass das Gehirn vereinfacht in zwei Systemen funktioniert. Zum einen das ständig aktive und mühelose intuitive Denken und zum anderen das langsame und mühevolle rationale Denken. In zahlreichen Experimenten haben die beiden dargelegt, dass nur zu oft unbemerkt das intuitive Denken übernimmt, da das rationale Denken eben anstrengend ist. In gewisser Weise muss man sich eingestehen, dass unser Instinkt oft die Logik dominiert. Eine künstliche Intelligenz handelt aber nie intuitiv. Bleiben wir nochmal beim Beispiel des Autos. In modernen Fahrzeugen unterstützen Assistenzsysteme und greifen auch aktiv ein. Denkt an den Abstands- oder Spurhalteassistenten. Es zeigt sich aber in vielerlei Anwendungen, dass Mensch und Maschine zusammen zu den besten Ergebnissen kommen. So ist es beispielsweise möglich, durch die Kombination der Expertise einer Fachärztin oder eines Facharztes und einer künstlichen Intelligenz die Fehlerraten bei der Krebserkennung fast auf null zu drücken. Alleine würden sowohl der künstlichen Intelligenz, als auch der Fachärztin oder dem Facharzt Fehler unterlaufen.
Bild: Drew Beamer @Unsplash
Ein optimistischer Blick in eine ungewisse Zukunft
Abschließend möchte ich noch auf das Argument eingehen, dass die heutigen Veränderungen am Arbeitsmarkt so tiefgreifend sind, dass diese zukünftig doch nicht durch neue Jobs zu kompensieren sein werden.
Wie eingangs dargelegt, gab es diese Angst bei jeder größeren technologischen Wende. Führt euch einfach vor Augen, wie schnell sich die Welt verändert. Ich bin 40 Jahre alt und anfangs noch in einem geteilten Deutschland aufgewachsen. Mit ein paar wenigen Fernsehsendern, ohne Internet und Handy, geschweige denn Smartphone, dafür mit einer anderen Währung. Autos galten als umweltfreundlich, wenn sie weniger als zehn Liter auf 100 Kilometer verbrauchten und Elektroautos waren, wenn überhaupt, eine ferne Zukunftsvision einiger Tüftler. Im Jahr meiner Geburt war die Firma Apple vier Jahre alt und wurde gerade erst in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt. Elon Musk war neun Jahre alt und Jeff Bezos hat gerade die High-School abgeschlossen. Google ging online als ich 17 Jahre alt war und Facebook begleitete mich erst mitten im Studium. Noch vor 25 Jahren hatte die Volksrepublik China nicht einmal ein Drittel der Wirtschaftsleistung von Deutschland, heute ist es genau umgekehrt. Ähnliche Vergleiche könnt ihr rückwirkend sehr lange anstellen.
Die Zukunft ist immer ungewiss, aber der menschliche Erfindergeist unendlich groß. Sehr eindrucksvoll wird dies in einem Befund, den der israelische Historikers Yuval Noah Harari ausführt. Zumindest in den letzten rund 30.000 Jahren hat sich unsere leistungsfähigste Ressource kaum verändert, unser Gehirn. Würde man ein Neugeborenes aus dieser Zeit mittels Zeitreise in die Gegenwart bringen, könnte es sich wohl normal entwickeln und würde sich in unserer Welt zurechtfinden. Wir haben also alle Errungenschaften in diesem Zeitraum mit derselben starken „Hardware“ erreicht.
Wir dürfen also optimistisch nach vorne blicken. Bloß weil wir den Arbeitsmarkt der Zukunft noch nicht kennen, heißt dies nicht, dass es keinen geben wird. Wir müssen die Zukunft auch nicht kennen, denn wie schon Antoine de Saint-Exupéry wusste, ist es nicht unsere Aufgabe die Zukunft vorherzusehen, sondern sie zu ermöglichen.
Wolfgang Nagl
Wolfgang Nagl ist Professor für Volkswirtschaftslehre in der der Fakultät für Angewandte Wirtschaftswissenschaften. In seinen Blogbeiträgen widmet er sich aktuellen wirtschaftspolitischen Fragestellungen und ordnet diese ein.