„Bachelor Angewandte Informatik? Was soll das jetzt mit diesem langweiligen Studiengang?“ Ja, das denken sich jetzt bestimmt einige. Und wahrscheinlich seid ihr euch auch nicht gerade sicher was die Wörter „angewandt“ und „Informatik“ miteinander zu tun haben. Das ganze digitale Zeug regelt doch sowieso ChatGPT, oder? Aber dass unter den Begriff „Informatik“ noch viel mehr Aspekte fallen, wird einfach vergessen… ziemlich Schade… Ich finde, ihr solltet dem Bachelorstudiengang Angewandte Informatik mal eine Chance geben und sehen, was der so zu bieten hat. Außerdem! Was soll jetzt dieses kryptische „Angewandt“ eigentlich?
Realprojekt statt Theorie
Dieses Semester haben Samuel Tschöpp und ich eine Case Study in Kooperation mit dem Unternehmen Vector Informatik durchgeführt. Das ist eine Firma, die Softwarewerkzeuge, und -komponenten sowie Hardware für die Entwicklung von eingebetteten Systemen anbietet. Im Rahmen dieses Projektes waren wir in der Lage, mit den von Vector zur Verfügung gestellten Produkten eine Kommunikation zwischen zwei Systemen mithilfe von sogenannten CAN-Signalen über Ethernet herzustellen. Hört sich jetzt erstmal kompliziert und nicht wirklich spannend an? Aber wenn ich euch sage, dass ihr damit ständig zu tun habt? Hier auf eher ländlichem Gebiet, da bin ich mir ziemlich sicher, fährt fast jeder Auto - und falls nicht, zumindest mit dem Bus oder Zug. Und genau dort werden solche CAN-Busse und Ethernet-Netzwerke verbaut. Für jemanden, der sich nicht auskennt, ist das bloß ein Kabelhaufen. Doch in Wirklichkeit werden dort Signale zwischen den verschiedenen Steuergeräten im Auto verschickt. Ein Airbag soll im Notfall schließlich auslösen, oder? Aber auch alltägliche Dinge wie Klimaanlage oder Navi verwenden solche Netzwerke. Man kann sie außerdem in der Medizintechnik, Industrieautomatisierung oder bei euch daheim finden, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ein solches Projekt ist Teil des 4. Semesters. Hier teilt sich der Studiengang nämlich in Teams auf, und man darf dann an einer Aufgabenstellung komplett eigenständig arbeiten. Das hört sich jetzt nach viel Verantwortung an und ja, ist es teilweise auch. Aber keine Angst, man wird darauf von Anfang an vorbereitet und auch während der Projekte stehen zahlreiche Ansprechpartner zur Verfügung. Am Ende kann man dann stolz darauf sein, den ganzen Prozess eines Projektes von Planung, über Zeitmanagement, Durchführung bis zur Präsentation bereits im 4. Semester allein gestemmt zu haben.
Generell kann man im Studiengang Angewandte Informatik von Anfang an richtige Erfolge erleben, die über eine reine Wissenskontrolle weit hinausgehen. Der Teil „Angewandt“ steht da ja nicht ohne Grund. Schon ab dem ersten Semester haben wir die gelernten Inhalte in einem der vielen Labore bzw. Computerräume ausprobiert. Eins der Highlights war aber auf jeden Fall das selbstfahrende Modellauto im 3. Semester. Dort durften wir das erste Mal auf ein richtiges Ziel hinarbeiten. Mit dem fertigen Auto nimmt man nämlich an einem Wettkampf teil.
Und nach dem Studium?
Tja, so ziemlich alles, auf was du Bock hast. Ich zum Beispiel überlege, später in Richtung Automobilindustrie oder Medizintechnik zu gehen. Denn meine Arbeit soll später auch das Herumtüfteln an Prototypen beinhalten. Ich möchte Neues erschaffen und in den Händen halten können. Ständig nur vorm Bildschirm zu sitzen, ist mir persönlich dann doch zu langweilig. Mein Teampartner hingegen spielt mit dem Gedanken, im Ausland tätig zu werden. Mit seinem Ingenieurstitel wird er nämlich überall gebraucht. Und wer weiß, vielleicht gründen ein paar Kommilitonen sogar ein Startup? Berufschancen gibt’s jedenfalls genug.
Klischee = Realität?
Ich werde oft gefragt, wie es denn so sei, in einer männerdominierten Branche? Es stimmt, dass der weibliche Anteil geringer ist, aber ich kann einen Wandel bereits erkennen. Langsam, aber sicher steigt das Interesse an Informatik auch bei Frauen. Mich freut es sehr, immer häufiger Mädels zu treffen, die überlegen auch einzusteigen.
Und weil man das in diesem Kontext vielleicht auch ansprechen sollte: Nein, ihr müsst kein typischer Nerd, wie aus Film und Fernsehen, sein. Ganz im Gegenteil, bei uns findet man ganz unterschiedliche Typen. Von modebewusst über sportlich bis hin zu Gamer ist eigentlich alles dabei. Aber eines haben alle gemeinsam: Man ist nett und hilfsbereit zueinander. Plus: Beim Feierngehen sind wir auch immer mit dabei.
Schlusswort
Wieso ich diesen Blog eigentlich schreibe, ist relativ simpler Natur. In einer Welt, in der neue Technologien und Digitalisierung immer mehr Schlagzeilen belegen und um die spannendsten Titel gerungen wird – am besten sogar noch in Englisch – geht ein Studiengang mit einem Titel wie „Angewandte Informatik“ möglicherweise einfach unter. Doch es wäre schade, diesen Studiengang zu übersehen, mit dem hier alles anfing und der unserer Fakultät ihren Namen gab. Deshalb möchte ich ihm etwas Rampenlicht zurückgeben und weitere junge Köpfe dafür begeistern. Ihr könnt mir schon glauben, es macht Spaß und lohnt sich.
Celine Schollerer
Celine Schollerer studiert Angewandte Informatik mit dem Schwerpunkt IoT. Da sie bereits im 4. Semester ist und teilweise auch als Jahrgangsstufensprecher fungiert, kann sie die Sichtweisen ihrer Kommilitonen angemessen vertreten.