Heute wache ich eine Stunde früher auf als gestern. Aber gut, es war ja auch Zeitumstellung. Ich freue mich, denn ich habe mir für heute einiges vorgenommen. Sonntag hin oder her. Nach einem ausgiebigen Frühstück werfe ich meinen Laptop an. Ich will mich heute an die Homepage des Städtepartnerschaftsvereins machen und noch einen Blogbeitrag für meinen privaten Food-Blog schreiben.
Gerade als ich mich mit meinem Laptop abmühe, ruft meine Mutter an. Sie will wissen ob ich schon ein Ergebnis habe und wie es mir geht. Ich erzähle ihr mein Standardsätzchen, dass ich noch kein Ergebnis habe und dass es mir gut geht. Sie ist überrascht, dass ich immer noch kein Ergebnis bekommen habe, aber gleichzeitig ist sie erleichtert, dass es mir gut geht und ich noch nicht den Eindruck mache in der Quarantäne verrückt zu werden. Da mein Laptop gerade so richtige Zicken macht, frage ich sie, ob mein Bruder (er ist die gleiche Nachteule wie ich) schon auf ist. Das ist er zwar, aber er hat gerade keine Zeit und ruft zurück, bekomme ich als Auskunft.
Vor zwei Wochen habe ich meinen uralten Laptop auf Windows 10 geupdated und als ich ihn jetzt einschalte ist weder Microsoft Word freigeschalten, noch funktioniert er. Die Mühle ich dermaßen langsam, dass ich nicht mal mein E-Mail-Postfach öffnen kann. Ich brauche die Hilfe von meinem Bruder, dem Techie der Familie, also dringend!
Gerade als ich anfange zu verzweifeln klingelt das Telefon und mein Bruder ist dran. Ich schildere ihm meine Probleme und er erklärt mir als erstes wie ich mein Word wieder aktiviere. Eine viertel Stunde später läuft zumindest das für mich wichtigste Programm wieder auf dem Laptop. Für alles andere soll ich erst mal abwarten. Der Laptop macht wohl im Hintergrund alle möglichen Updates etc., um alle Programme mit Windows 10 in Einklang zu bringen erklärt er mir. Ich erzähle ihm auch von der Website des Städtepartnerschaftsvereins und dass das sehr viel Arbeit sein wird. Als er selbst einen Blick auf die Homepage wirft, höre ich zuerst nur Lachen durch den Hörer. Oh ja, es ist super viel zu machen! Wir tauschen unsere Ideen aus und er gibt mir noch ein paar Tipps zur Menüführung. Natürlich dreht sich unsere Unterhaltung auch bald um Corona und die aktuelle politische Lage. Nach eineinhalb Stunden und einer sehr spannenden Unterhaltung zur Lage der Nation lege ich auf.
Mittlerweile ist es schon Zeit für das Mittagessen. Da ich mir ja auch noch einen Blogbeitrag für meinen Food-Blog vorgenommen habe, will ich gleich nach dem Mittagessen damit starten. Der Laptop ist immer noch mega langsam und treibt mich in den Wahnsinn. Er ist extrem lahm, aber immerhin geht er mittlerweile zumindest für meine Zwecke. Ich haue in die Tasten und habe schon etwa ein Drittel meines Blogs geschrieben als das Telefon klingt. Nochmal meine Mutter. Sie mistet gerade zuhause aus und will wissen was ich von den Sachen die sie gerade vor sich liegen hat noch brauche. Ich sage ihr, dass sie alles in den Müll werfen kann und versuche das Gespräch zu beenden. Immerhin wartet noch ein Blogbeitrag auf mich. Meine Mutter allerdings hat andere Pläne. Sie legt direkt los. Ihre beste Freundin und deren Söhne stehen als erste auf dem Programm. Dann geht es weiter mit dem Glasfaserkabel und warum die Telekom das bei ihrem Anschluss verkackt hat, bevor sie übergeht zu ihrem neuen Küchenherd und warum der doch nicht so gut ist wie die Bewertungen im Internet sie haben glauben lassen. Meine Laune sinkt langsam. Ich denke an meinen Blogbeitrag und dass ich den ja heute noch fertigbekommen wollte. Nach einer halben Stunde erklärt mir meine Mutter, dass sie nun weiter aufräumen wolle und deswegen jetzt Schluss machen müsse. Mir ist das mehr als recht ehrlich gesagt.
Kaum dass ich mich wieder an meinen Blog mache, schreibt mein bester Freund, ob wir nicht skypen wollen. Er ist über meine Quarantäne unterrichtet und seit er als Dozent nach Rumänien an eine Uni gewechselt hat, haben wir uns nur über Whatsapp ausgetauscht.
Ich freue mich über seinen Vorschlag, will aber meinen Beitrag unbedingt vorher noch fertigbekommen. Also haue ich in die Tasten was das Zeug hält und bin eine Stunde später mit meinem Blog-Beitrag über das Pancarrè fertig. Ich freue mich meinen besten Freund wieder mal zu sehen und alles über seine neue Stelle zu hören. Die Lage in Rumänien ist aktuell viel schlimmer als in Deutschland und er muss seine Vorlesungen komplett virtuell halten. Als neuer Dozent an einer ausländischen Uni ist das natürlich echt anstrengend. Da wir uns so lange nicht mehr gesehen und gehört haben, reden wir fast zwei Stunden bis ihm vor Hunger der Magen knurrt und er mich für sein Abendessen aus der Leitung wirft.
Nachdem ich aufgelegt habe und der Laptop wieder verstaut ist, lege ich eine Runde Yoga in meinem Wohnzimmer ein. Es sieht zwar immer nach einem langweiligen Sport aus, ist aber super anstrengend. Und so befinde ich mich eine halbe Stunde später auf dem Wohnzimmerboden, alle Viere von mir gestreckt. Ich liege noch auf der Yogamatte und fische das Handy vom Couchtisch hinter mir. Überraschung, das Testergebnis ist mittlerweile per Mail eingetroffen. Ich setzte mich auf, atme tief durch, öffne den Mailanhang und lese: negativ. Was für eine Erleichterung! Diese Neuigkeit schicke ich natürlich sofort allen, die von meiner Quarantäne wissen und als erstes denjenigen, mit denen ich in den Tagen vor meiner Quarantäne noch Kontakt hatte.
Tiefenentspannt stehe ich kurz darauf in der Küche. Heute gönne ich mir ein Drei-Gang-Menü zur Feier des Tages. Einen großen gemischten Salat der Saison, eine Gemüsepizza und Schokopudding. Zur Unterhaltung während des Abendessens wähle ich den Film „Intrige“ von Roman Polanski aus. Man kann zwar von ihm halten was man will, aber als Regisseur ist er wirklich gut. Es dauert also nicht lange bis ich komplett eingetaucht bin in das Paris um 1895 und die „Dreyfus-Affäre“ beim französischen Militär. Dass die ganze Handlung auf wahren Begebenheiten basiert macht den Film für mich umso spannender. Ich fiebere mit, ob Marie-Georges Picquart, Leiter der militärischen Spionageabwehreinheit, die Unschuld von Alfred Dreyfus beweisen können wird und den wahren Doppelagenten entlarven können wird. Bis sich die „Dreyfus-Affäre“ auflöst und ich wieder zurück im Jahr 2020 bin, ist es spät geworden und ich schalte den Fernseher aus. Morgen ist Montag und ich muss früh raus fürs Home Office.
Miriam
Miriam Bleck lässt ihrer Liebe zum Schreiben in der Pressestelle der THD freien Lauf. Meistens ist sie am European Campus in Pfarrkirchen oder bei ihrem Lieblingsitaliener anzutreffen. Wenn sie nicht gerade mit Kochen oder Essen beschäftigt ist, schreibt sie über aktuelle Themen, Persönliches und alles was ihr sonst so durch den Kopf geht.