Herrlich so ohne Wecker ganz von alleine aufzuwachen und keinerlei Verpflichtungen zu haben dieses Wochenende! Ich gähne herzhaft, drehe mich um und blicke auf den Wecker neben meinem Bett. 11.43 Uhr. Perfekt, so lange und ausgiebig habe ich schon lange nicht mehr geschlafen.
Für so einen ganzen Tag relaxen brauche ich natürlich eine Stärkung. Also mache ich mich im Schlafanzug auf den Weg in die Küche und mache mir erst mal eine große Portion Porridge und eine große Tasse mit starken italienischem Kaffee. Bis ich mit dem Kochen fertig bin und mich mit meinem Frühstück im Wohnzimmer auf der Couch niedergelassen habe ist es ziemlich genau Punkt 12. Ich schalte als erstes den Fernseher ein. Auf Comedy Central läuft eine neue Folge „Bob’s Burger“. Perfekter Start ins Wochenende also. Bis ich mit dem Frühstück fertig bin ist auch „Bob’s Burger“ zu Ende und ich schalte um auf Toggo Plus. Yes, „Barbie und die drei Musketiere“ läuft gerade. Damit und mit dem restlichen Glas Orangensaft in der Hand sinke ich zurück in die Couch. Wer sich jetzt denkt ich hätte tatsächlich langsam den Corona-Koller, den muss ich warnen: Kindersendungen und verrückte Cartoons sind mein Lebenselixier. Ich bin ein Kind gefangen im Körper einer 31-jährigen. Das gebe ich offen zu. Meine Kollegen überrascht das immer, wenn sie mir von ihren Kindern und was die im TV so ansehen erzählen und ich direkt einsteige und Tipps gebe welche Filme für 3 oder 5-jährige Mädchen und Jungen am besten geeignet sind und welche Charaktere ich super finde. Die Blicke die ich dafür oft bekomme sind jedenfalls unschlagbar lustig.
Während die drei Musketiere vor mir über den Bildschirm springen und immer neue Herausforderungen meistern, schicke ich Sprachnachrichten mit meiner positiv getesteten Freundin hin und her. Sie ist gerade dabei „Seattle Fire Fighter“ zu suchten und wir tauschen uns über unsere Seriengewohnheiten aus. Wir unterhalten uns auch über unsere Erfahrungen in den letzten Tagen, wie Kollegen, Bekannte und Freunde auf die Lage reagieren und wie wir selbst damit umgehen. Ihr Mindset habe sich durchaus verändert, meint meine Freundin. Da stimme ich ihr voll und ganz zu. Inwieweit genau sich meines aktuell ändert kann ich aber zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen. Ich bin einfach noch nicht ganz auf dem Planeten Erde angekommen nachdem ich so lange und ausgiebig geschlafen habe.
Eine andere Freundin ist gerade mit ihrem Freund einkaufen und schickt mir ein Foto von einem Home-Sommelier mit der Nachricht, dass das ja das perfekte Accessoire für mich als Weinliebhaberin wäre. Ich widme mich wieder meinem Film und ehe ich es mich versehe ist es 15 Uhr und Zeit fürs Mittagessen.
Ich schmeiße mich in meine chilligsten Klamotten und mache es mir mit meinem Essen und einem Buch wieder auf der Couch bequem. Solange ich meine Hausbibliothek noch nicht bis zum letzten Buch gelesen habe und solange ich meinen Kindle habe, ist das Wochenende gerettet. Das Buch das ich aktuell lese zieht mich komplett in seinen Bann und als ich etwa zwei Stunden später kurz das Buch beiseitelege und auf mein Handy schaue, sehe ich einige Nachrichten von der Bekannten die auch in Quarantäne ist, mit der ich gestern telefoniert habe. Sie will wissen ob ich schon ein Ergebnis habe. Nein, bisher nicht. Ich nehme mein Buch wieder in die Hand, werde aber von meinem Handy abgelenkt. Meine Bekannte schickt mir einen Roman mit Corona-Infos vom Landratsamt über Whatsapp. Ich lese die Nachricht kurz durch und ärgere mich, dass ich dafür mein Buch vernachlässigt habe. Als ich ihr antworte, sie soll relaxen und das Wochenende genießen, denn das mache ich auch und ich kann es gerade sehr empfehlen, dauert es nur wenige Sekunden bis sie antwortet. „Mir ist langweilig.“ Tja, ihr Pech, ich bin mit meinen Büchern noch gut versorgt und ganz happy.
Eine andere Freundin ruft mich an und will wissen wie es mir geht. Wir unterhalten uns ein bisschen und wir stellen fest, dass wir eigentlich nächste Woche nach Prag zum Whisky-Festival gefahren wären. Tja, dieses Jahr kein Weinfestival in Italien und kein Whisky-Festival in der Tschechei. Ich habe mich eigentlich schon damit abgefunden, aber jetzt nervt es mich gerade doch. Als ich mich dann auch noch darüber beschwere, dass meine Bekannte und ihre Panik wegen dem Test mir das Lesevergnügen versaut haben, meint meine Freundin, dass ich mir zur Beruhigung einen Whisky einschenken sollte. Sie wird auch einen trinken, da sie jetzt Lust darauf bekommen hat und das abgesagte Festival nächste Woche uns ja auf dem Trockenen sitzen lässt. Als ich sage, dass ich keinen Whisky mehr im Haus habe, bietet sie an mir einen zu kaufen und vorbei zu bringen. Ich muss gestehen, dass ich mich über das Angebot mehr freue als ich vermutlich sollte und es dankend annehme.
Ich sitze wieder mit meinem Buch auf der Couch, mittlerweile ist es schon ganz dunkel geworden draußen, als es an der Tür klingelt. Das ist sicher die Whisky-Lieferung. Da ich ja keinen Besuch empfangen darf, kippe ich das Fenster das am nächsten zur Haustüre ist und unterhalte mich so mit der Freundin, die mit einer Flasche Glen Grant Single Malt Scotch Whisky vor meinem Haus steht. Wir sind mittlerweile beide schon genervt von der Situation und dass die Kontaktermittlung sich so lange Zeit lässt. Wir machen uns darüber Luft und reden noch ein bisschen über Filme, Pflanzen und den geplatzten Trip nach Prag bevor es draußen zu kalt wird und sie den Whisky vor meiner Haustüre abstellt. Ich winke ihr durch das Fenster zur Verabschiedung zu und als sie mit dem Auto die Einfahrt verlassen hat, öffne ich die Haustüre um meine Lieferung rein zu holen.
In der Küche öffne ich den Whisky, halte die Flaschenöffnung unter meine Nase und atme den herrlichen Duft des Single Malts ein. Das Grinsen auf meinem Gesicht wird immer größer und ich schenke mir ein Gläschen ein, schwenke die goldene Flüssigkeit und lasse mir den ersten Schluck auf der Zunge zergehen.
Mit dem Buch in der Hand und dem Whisky neben mir lasse ich mich wieder auf der Couch nieder. Während ich so lese und immer mal wieder einen kleinen Schluck Whisky nehme, werde ich ein bisschen sentimental. Das liegt sicher an der Kombi. Im Buch geht es um ein ehemaliges Paar das sich zufällig wieder trifft und darum, ob Menschen sich ändern und wieder zusammenfinden können und wie das Leben uns doch alle beeinflusst. Der Whisky tut sein Übriges. Aber nicht wegen dem Alkohol, sondern weil ich an eine Freundin denke und an den Anlass zu dem ich den gleichen Tropfen das letzte Mal getrunken habe.
Es ist fast zwei Jahre her als ich einen Anruf in der Arbeit bekam, dass eine gute Freundin mit nur 32 Jahren ganz plötzlich verstorben ist. Damals nahm ich mir den restlichen Nachmittag frei, holte mir eine Flasche Glen Grant und schenkte mir auf diese Nachricht hin ein Gläschen Whisky ein. Der Verstorbenen hätte das gefallen, da sie ihr Leben immer in vollen Zügen genossen hat. Ich kann nicht umhin daran zurückzudenken und mein Buch sinken zu lassen. Damals hatte ich mir vorgenommen das Leben mehr zu genießen und nicht immer alle Pläne aufzuschieben, sondern direkt in die Tat umzusetzen. Viel geworden ist bisher nicht aus meinen Plänen. Irgendwie ließ ich mich doch immer schnell von Kleinigkeiten aufhalten und jetzt plagt uns Corona und mein Leben kommt mir vor wie „on hold“. Ich lasse die Zeit seit dem Tod der Freundin nochmal an meinem geistigen Auge vorbeiziehen und denke darüber nach, in welchen Zeiten wir momentan leben und was die verstorbene Freundin wohl in der heutigen Lage gemacht hätte, wie sie das Leben weiterhin genossen hätte.
Als ich jetzt so darüber nachdenke, fällt mir schon auf, dass ich meine Einstellung zu Corona, der Quarantäne und dem Leben in den letzten Tagen geändert habe. Ich habe es geschafft alles auszublenden und mich nur um mich zu kümmern, mir keine Sorgen zu machen, mich auf meinen Körper und mein Gefühl zu verlassen. Momentan fühle ich mich tatsächlich so, als wäre ich ganz bei mir, ohne fremde Einflüsse, die auf mich einprasseln. Dieses Gefühl sollte ich so lange wie möglich bewahren und in die Zeit nach Corona mitnehmen. Ich habe auch gelernt, die positiven Seiten einer Situation, in meinem Fall der Quarantäne und der Unsicherheit hinsichtlich einer möglichen Corona-Infektion, zu sehen. So in Relation gesetzt muss man die Kleinigkeiten zu schätzen wissen und das Leben in vollen Zügen genießen denke ich mir. Wenn ich die letzten Jahre so Revue passieren lasse, dann fällt mir auch auf, was ich im Nachhinein anders gemacht hätte oder künftig anders machen würde, wenn die Situation nochmal dieselbe wäre. Mein Mindset hat sich in den letzten Tagen also durchaus gewandelt stelle ich mit einer überraschenden Klarheit fest.
Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf widme ich mich wieder meinem Buch und bin gespannt wie es mit Emma und Charlie weitergehen wird. In den nächsten Stunden lese ich wie Menschen sich verändern können, wie Umstände auf Personen einwirken und dass am Ende doch alles gut wird. Als ich das Buch zu Ende gelesen habe, denke ich über die Geschichte und wie sie mit meiner aktuellen Situation und meinem neuen Mindset zusammen hängt nach, bevor ich mich wieder in meinen Schlafanzug schmeiße und bettfertig mache.
Miriam
Miriam Bleck lässt ihrer Liebe zum Schreiben in der Pressestelle der THD freien Lauf. Meistens ist sie am European Campus in Pfarrkirchen oder bei ihrem Lieblingsitaliener anzutreffen. Wenn sie nicht gerade mit Kochen oder Essen beschäftigt ist, schreibt sie über aktuelle Themen, Persönliches und alles was ihr sonst so durch den Kopf geht.