Wahnsinn! Was erzählen die denn da? Das hat doch nichts mit Wissenschaft zu tun. Bitte verzeiht, dass ich mich gleich zu Beginn so echauffiere. Aber beim Zuhören von diversen Talk-Shows sträubt es mir manchmal die Haare, wie viel Ungenaues und »Halb-Wissenschaftliches« berichtet wird. Da stellt sich mir die Frage: haben die Menschen keine Zeit, sich anständig über ein Thema zu informieren? Oder liegt es vielleicht auch an uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass Themen und Erkenntnisgewinne unverständlich transportiert werden und wir den Dialog mit der Bevölkerung scheuen?
Zum Glück bin ich mit der THD an einer Hochschule, bei der das Thema Wissenschaftskommunikation immer mehr in den Fokus rückt. Also ran an den Speck! Beim TRIO-Seminar »WissKomm kompakt« des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik) im Kreise von zehn weiteren Kolleginnen und Kollegen der ostbayerischen Hochschulen. Meine Erwartungshaltung ist klar: ich möchte Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wie ich komplexe Themen verpacken kann. Wie ich meine Kernbotschaften rüberbringe. Und zwar auf den Punkt, denn Wissenschaft darf kein Selbstzweck in der Abgeschiedenheit des Labors sein. Mein Fazit: ich habe viel gelernt.
Eine der größten Hürden ist es tatsächlich, verständlich zu kommunizieren. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Fachsprache muss auf ein notwendiges Minimum ohne Verwässerung des Inhaltes reduziert werden. Wenn man um einen Fachbegriff nicht rumkommt, dann muss dieser wenigstens klar erklärt werden. War noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die wissenschaftliche Fachsprache von deutsch, englisch und französisch geprägt, so fokussierte sich diese seit Mitte des 20. Jahrhunderts in den meisten Disziplinen auf Englisch. Leider haben wir für eine Vielzahl von neuen Begriffen nur selten eine gleichbedeutende deutsche Übersetzung. Das macht es nicht leichter.
Um es einfach auszudrücken: Für einen erfolgreichen Dialog mit der Bevölkerung muss die Kommunikation auf Augenhöhe erfolgen. Dabei sind laut NaWik fünf Faktoren entscheidend: Wer ist meine Zielgruppe? Welcher Sprachstil ist passend? Welches Thema interessiert meine Zielgruppe? Welches Ziel verfolge ich? Welches Medium nutze ich dafür?
Für den Sprachstil – der herausforderndsten der fünf Faktoren - gibt es als Erinnerungshilfe das sogenannte NaWik-Kleeblatt: einfach soll es ein, kurz, lebendig und strukturiert. Wer seine Arbeit in drei kurzen Sätzen wiedergeben kann, hat seine Kernbotschaft verinnerlicht und kann so viele Menschen erreichen. Schon Franz-Josef Strauß meinte: „Man muss einfach reden, aber kompliziert denken – nicht umgekehrt“. Probieren Sie es doch einmal!
Doch warum ist es so wichtig, allgemein verständlich zu kommunizieren? Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. Wissenschaft durchdringt unseren Alltag, den Alltag eines jeden einzelnen, auf unterschiedliche Art und Weise. Das reicht von konkreten Maßnahmen wie den Verhaltensregeln in der Corona-Pandemie bis hin zu abstrakten Fragestellungen wie der Frage nach dem sinnvollen Grad der Digitalisierung in der Schulausbildung. Bei all diesen Themen kann die Wissenschaft Einordnungen für den gesellschaftlichen Diskurs geben. Wenn Sie verständlich kommuniziert und wenn sie gehört wird. Letzteres ist ja auch nicht Allen gegeben. Nicht minder wichtig ist es, dass wir Wissenschaftler zuhören und die Anmerkungen aus der Bevölkerung ernst nehmen. Dieser bidirektionale Transfer ist die Basis weiterer, wichtiger Impulse für uns Forschenden.
Und gute Beispiele für gelungene Wissenschaftskommunikation gibt es natürlich auch reichlich: Ranga Yogeshwar, Mai Thi Nguyen-Kim oder Christian Drosten. Sie alle haben die Wichtigkeit der Wissenschaftskommunikation erkannt und verstehen es, mit der Bevölkerung verständlich zu kommunizieren. Sie sollten uns als Vorbild dienen, damit wir entschieden Verschwörungstheoretikern und Halbwahrheiten entgegentreten können. Und vielleicht sind dann auch die Talk-Shows wieder erträglicher – zumindest für mich.
Euer Thomas Spittler
Thomas Spittler ist Professor im Bereich Gesundheitsinformatik und Versorgungsforschung mit vielen internationalen Erfahrungen in Industrie und dem Gesundheitswesen. Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt er sich neben der Virtualisierung der Lehre vor allem mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens, der Weiterentwicklung der Versorgungsforschung sowie der Professionalisierung des Wissens- und Technologietransfers.