Gestern Abend kam er, der Anruf einer Freundin, dass sie positiv auf Corona getestet wurde und ich nun zu den Kontaktpersonen der Kategorie I zähle. Sie habe es schon dem Landratsamt gemeldet und die Kontaktermittlung werde sich bei mir melden.
Heute Vormittag dann ruft eine nette Dame der Kontaktermittlung an. Sie frägt mich zu meinen Personalien, dem Treffen bei dem es zum Kontakt mit der infizierten Person kam und ob ich Symptome habe. Sie erklärt mir was es jetzt zu Beachten gilt und ordnet telefonisch bereits die Quarantäne von acht Tagen an. Alles Weitere bekäme ich dann per Mail zugeschickt.
Da ich mich bereits im Home Office eingerichtet habe und das auch vom Arbeitgeber her mittlerweile schon angeordnet wurde, macht die Quarantäne für mich erst mal noch keinen Unterschied, außer dass ich jetzt näher an meiner heiß geliebten Espressomaschine sitze und nicht mehr den grausigen Senseo-Kaffee aus der Campusküche trinken muss. Mit lauter Musik im Haus lässt es sich eh besser schreiben, was für meine Arbeit entscheidend ist, und so vergeht der Vormittag sehr schnell und angenehm.
In meiner Mittagspause rufe ich dann alle meine Freunde und Bekannte an mit denen ich in den letzten Tagen Kontakt hatte. Also meine zwei besten Freundinnen, meine Familie und meine Vermieter. Die Reaktionen auf den Anruf fallen sehr unterschiedlich aus. Das war zu erwarten. Spannend jedoch ist die Bandbreite der Kommentare zu den Neuigkeiten meiner Quarantäne und der Einstufung als Kontaktperson I.
Der erste Anruf geht an meine Familie. Meine Mutter sieht es relaxed. Sie frägt sich eher als was das „Corona-Jahr“ in die Geschichtsbücher eingehen wird und ob die Menschen in 20 Jahren dann über unser Verhalten und die derzeitige Panik lachen werden oder ob es bis dahin doch immer noch eine schwerwiegende Krankheit sein wird. Dann stellt sie fest, dass ich am Wochenende doch nicht zum Essen vorbeikommen kann und dass es dann ja keinen Sinn macht eine selbstgemachte Pizza zu machen. Was ihr allerdings schwer im Magen liegt, dass sie eventuell meine Schwester nicht zu Allerheiligen besuchen kann, sollte ich positiv getestet werden. Ich verspreche sie auf dem Laufenden zu halten.
„Kacke, weißt du wie viele Leute ich heute in der Praxis schon behandelt habe? Wenn du positiv sein solltest, dann können wir zusperren und die halbe Stadt in Quarantäne schicken. Aber so weit wird es dann ja doch nicht kommen. Du hörst dich ja gut an, da wirst du schon kein Corona haben.“ Die Freundin aus der Zahnarztpraxis, die ich als nächste kontaktiere. Sie sieht es zwar kritisch, aber will noch keine Panik verbreiten solange ich noch nicht positiv bin.
Der dritte Anruf geht an die andere Freundin, Taxifahrerin im Nachbarort. Sie lacht erst mal laut los am Telefon. Ich frage mich zwar, warum diese Nachricht so lustig ist, lasse mich von ihrem Lachen aber anstecken. Nachdem wir uns beide wieder beruhigt haben meint sie: „Weißt du eigentlich wie viele Leute ich heute schon mit dem Taxi durch die Gegend gefahren habe und wie viele davon Dialysepatienten oder Kranke waren?“ Natürlich weiß ich das, ich habe in ihrem Unternehmen auch mal als Taxifahrerin gearbeitet und bekomme auch jetzt noch regelmäßig Updates wie es läuft und welche Patienten wieder gesund sind, welche immer noch regelmäßig zum Krankenhaus gefahren werden und welche mittlerweile leider nicht mehr unter uns weilen. Ich schlucke und denke über die möglichen Konsequenzen nach. Meine Freundin holt mich aus meinen Gedanken als sie grob überschlägt wie viele Leute das betreffen würde und dass ja dann die Firma in der ihr Freund arbeitet auch betroffen wäre. Sie überlegt nochmal und fängt dann wieder an zu lachen: „Alter, das wäre so krass wenn es dich erwischen würde!“
Nach unserem Telefonat lasse ich mir die Szene nochmal durch den Kopf gehen und beschließe mir eine Scheibe von ihr abzuschneiden. Sie ist immerhin selbst chronisch krank und Risikopatientin. Wenn sie das mit Humor sehen kann, dann sollte ich das auch tun. Immerhin werde ich die nächsten sieben Tage ja noch alleine in den eigenen vier Wänden verbringen. Da werde ich meinen Humor noch brauchen können, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt.
Der letzte Anruf geht an meine Vermieter, beide um die 70 und daher auch gefährdet. Wir wohnen im gleichen Haus und da wir Vorgestern noch bei einem Ratsch zusammenstanden, könnte es sie ja auch erwischen, wenn ich positiv getestet werde. Sie sind super lieb und bieten mir gleich an für mich einkaufen zu gehen.
Den Nachmittag verbringe ich wie immer vor meinen Laptop bei der Arbeit, nur von meiner täglichen Kaffeepause um 15 Uhr unterbrochen. Ich bin trotz der Nachricht heute Vormittag überraschend produktiv und Corona beschäftigt mich bis zum Feierabend eigentlich nicht mehr. Zwischendurch informiere ich Kollegen mit denen ich Meetings gehabt hätte, dass ich nicht mehr ins Büro kommen kann wegen der Quarantäne.
Von mehr oder weniger Gleichgültigkeit bis Anteilnahme und dem ein oder anderem Angebot für mich einzukaufen oder Telefonseelsorge zu leisten, bis ich aus der Quarantäne entlassen werde, ist alles dabei. Spannend jedenfalls, dass die nettesten Kollegen teilweise Menschen sind mit denen ich eigentlich wenig Kontakt habe oder die ich eher nur vom Gang oder der Mittagspause kenne.
Irgendwann am Nachmittag trudelt dann auch die Mail von der Kontaktermittlung mit dem Quarantänebescheid und einem Corona-Tagebuch, das ich bis Ende der Quarantäne täglich führen muss, ein.
Nach meinem Feierabend gebe ich noch schnell eine Bestellung bei Rewe auf, die mir eine Freundin später noch vor die Tür stellen wird. Mit genügend frischem, Obst, Gemüse und Tiefkühlpizza sollte sich so eine Quarantäne ja gut aushalten lassen. Klopapier ist ja auch noch genügend im Haus und der Wein geht bei mir normal auch so schnell nicht aus.
Ich setze mich auf die Couch und telefoniere mit der anderen Freundin, die bei dem Treffen mit der infizierten Person dabei war und jetzt als Kontaktperson I auch zuhause in Quarantäne sitzt. Wir sehen das beide recht entspannt am Telefon und unterhalten und über die nächsten Tage und was wir machen werden. Für mich ändert sich im Prinzip nicht viel, da ich zuhause trotzdem arbeite und der Tagesablauf der gleiche sein wird. Meine Freundin hingegeben ist zum Nichtstun verdammt. Dann kann sie wenigstens wieder mal ein Buch lesen meint sie. Wir müssen beide lachen als sie mir erzählt, dass ihr Mann wieder zu seinen Eltern ins Kinderzimmer ziehen muss für die Zeit der Quarantäne und dass er schon eher am Durchdrehen ist als sie.
Kaum dass ich aufgelegt habe und mit meinem Abendessen auf der Couch sitze, klingelt das Telefon und meine Vermieter sind dran. Ob es mir gut geht, was ich mache, ob ich Gesprächsbedarf habe und ob ich Anzeichen von Corona habe wollen sie wissen. Bisher geht es mir gut, ich habe keine Symptome und telefoniert habe ich heute mehr also normal den ganzen Monat über. Dass sie sich so um mich sorgen finde ich dann aber doch so nett, dass ich dafür gerne mein Essen auf die Seite stelle und mich mit ihnen eine halbe Stunde unterhalte.
Vom vielen Telefonieren und in den Laptop starren habe ich leichte Kopfschmerzen, aber mit einem Glas Primitivo zu „Knives Out – Mord ist Familiensache“, in dem Daniel Craig als Spürnase einen Mord aufklären muss, geht der Abend schnell vorbei. Bevor ich mich in die Bettdecke kuschle denke ich noch wie schön es doch ist morgen bis zur letzten Minute schlafen zu können und abgesehen von der Arbeit keinerlei Verpflichtungen zu haben. Nur der Coronatest steht morgen noch an.
Miriam
Miriam Bleck lässt ihrer Liebe zum Schreiben in der Pressestelle der THD freien Lauf. Meistens ist sie am European Campus in Pfarrkirchen oder bei ihrem Lieblingsitaliener anzutreffen. Wenn sie nicht gerade mit Kochen oder Essen beschäftigt ist, schreibt sie über aktuelle Themen, Persönliches und alles was ihr sonst so durch den Kopf geht.