Jeder, der sich mit Startups beschäftigt, kennt das Silicon Valley und hat eine mehr oder weniger konkrete Vorstellung von diesem sagenumwobenen Gründerökosystem. Viele von uns verbinden erfolgreiche Gründer wie Steve Jobs oder Mark Zuckerberg, Globalplayer wie Amazon, eBay oder HP und natürlich die vielen Venture Capital Gesellschaften mit dem Silicon Valley. Den Valley-Startups gelingt es scheinbar spielerisch, ihre Ideen und Produkte erfolgreich im Markt zu platzieren. Vor diesem Hintergrund drängen sich natürlich Fragen auf: Wie machen die Amerikaner das? Und wie können wir diesen Spirit und die Erfolgsgeschichten nach Niederbayern transferieren?
Erst mal über den großen Teich und von den Besten lernen!
Wer das Silicon Valley besser verstehen möchte, muss dorthin reisen und sich mit den Menschen vor Ort austauschen. Deshalb führte mich mein erster Arbeitstag als Professorin an der THD im April 2022 weder in den Hörsaal noch ins Büro, sondern vom Flughafen München über San Francisco direkt zu Berkeley SkyDeck, einem der Top-Acceleratoren im Silicon Valley. Nach vielen Gesprächen mit Startups, Investoren und Forschern sowie spannenden Firmenbesichtigungen konnte ich mir live und in Farbe einen ersten Eindruck vom Silicon Valley machen: Und ja, auch wenn die Amerikaner ebenfalls nur mit Wasser kochen, es gibt Unterschiede zu unserer bayerischen Startup-Landschaft.
Erstens: Laser Speed und hohe Ansprüche.
Ich lerne, dass Startups easy und schnell Termine mit Investoren bekommen. Das ist positiv und verglichen mit unserer Startup-Szene auf jeden Fall ein Standortvorteil für Kalifornien. Gleichzeitig merke ich bei verschiedenen Pitch Sessions, dass die Ansprüche der Investoren sehr hoch sind und dass das Feedback gnadenlos ehrlich und hart ist. Aber ich denke nicht, dass das die Teams demotiviert. Vielmehr sehe ich, dass ehrliches Feedback auf Augenhöhe die Teams schneller einen Schritt in Richtung Erfolg bringt. Und wertvolles Feedback gibt es auch von den Kunden: Bevor die Teams kostbare Zeit für die Produktentwicklung investieren, fragen sie zuerst ihre Kunden, welche Lösung gewünscht ist.
Zweitens: Diversity.
Auf die Frage, warum das Silicon Valley so erfolgreich ist, habe ich oft die Antwort „Diversity“ und einen Verweis auf die hohe Gründungs- und Risikobereitschaft von Personen mit Migrationsgeschichte bekommen. Ich nehme mir vor, auch diesen Aspekt mit nach Hause zu nehmen.
Drittens: Scheitern und Lernen.
Während wir in Deutschland erst vor ein paar Jahren angefangen haben, über das Thema Fehlerkultur zu sprechen, werden Silicon Valley Gründerinnen und Gründer erst dann richtig ernst genommen, wenn sie aus eigener Erfahrung berichten können, wie sie eines – oder sogar mehrere – Unternehmen „an die Wand gefahren haben“. Und genau diese erfahrenen Seriengründer geben ihr wertvolles Wissen an die Unternehmerinnen von morgen weiter. Der perfekte Mentor bringt also neben Fachwissen echte eigene unternehmerische Erfahrung mit. Mit diesen Eindrücken im Gepäck steige ich rund zehn Tage später wieder in den Flieger nach München und freue mich auf den Start meine ersten Batches im Silicon Valley Program am BITZ Oberschneiding.
Nicht wo, sondern mit wem ist wichtig.
Im Juli 2022 starten fünf hochmotivierte Teams aus unterschiedlichen Branchen im Silicon Valley Program der THD. Ihre Vision und unser Versprechen ist es, ihr Minimal Viable Product in ein erfolgreiches Unternehmen zu transformieren. Als die Teams dann für den Kickoff das erste Mal ans BITZ (Bayerisches Innovations Transformations Zentrum) nach Oberschneiding kommen, sagen sie mir mit Blick auf die umliegenden Felder und Wiesen, wie schön es bei uns ist. In ihren Augen lese ich allerdings: „Wo zum Teufel bin ich hier gelandet?“. Um darüber nachzudenken, bleibt den Teams allerdings nicht viel Zeit. Das Programm startet mit vier arbeitsintensiven Tagen, an denen sich knackige Inputsessions, Pitches, Feedback und der Austausch zwischen den Teams und dem BITZ-Team abwechseln. Schnell haben sich alle daran gewöhnt, englisch zu sprechen. Erfahrene Mentoren aus den USA und aus Deutschland hören den Teams zu, beantworten unzählige Fragen und geben Feedback zu den Geschäftsmodellen. In den Pausen wird viel Kaffee getrunken, gelacht und weiterdiskutiert. Eine einzigartige Mischung aus Konzentration, Euphorie und dem Silicon Valley Spirit füllt den Raum. Und gleichzeitig merke ich, wie die Ruhe und Gelassenheit meiner Kollegen und der Mentoren den Teams Sicherheit gibt. Die Teams werden durch einen von Mentoren und Investoren erarbeiteten Prozess geleitet, der sich wie ein roter Faden durch die Workshops zieht. Ich beobachte, wie die Gespräche zwischen den Teams und den Mentoren, aber auch zwischen den Teams untereinander vertrauter werden. Und ich kann es förmlich hören, wie es bei den ersten „klick“ macht und das Programm beginnt, seine volle Wirkung zu entfalten. Aber auch ich erlebe meinen persönlichen Aha-Moment, als ich endlich verstehe, was der Gründer des Silicon Valley Program, Prof. Peter Schmieder, meint, wenn er sagt: „Es kommt nicht darauf an, wo Du etwas machst, sondern mit wem Du etwas machst“. Somit wird mir immer klarer, dass es für die Einhörner von Morgen keine Rolle spielt, ob wir in Palo Alto oder Oberschneiding sind. Viel entscheidender sind die Qualität und das Commitment der Mentoren. Mit diesem Wissen blicke ich entspannt auf die Zukunft der Teams und freue mich, dass ich ihren hoffentlich erfolgreichen Weg ein Stück mit begleiten darf.
Veronika Fetzer
Veronika Fetzer ist Bankkauffrau und promovierte Betriebswirtin. Als Professorin der THD für das Fachgebiet Economy of Scale und in ihrer Funktion als Leiterin der Digitalen Gründerinitiative Oberpfalz unterstützt sie seit vielen Jahren Gründerinnen und Gründer auf ihrem Weg von der Idee bis hin zum erfolgreichen Unternehmen.