Die Menschheit leidet weltweit schwer unter dem Klimawandel, der Pandemie und zahlreichen schweren lokalen Konflikten und durch sie verursachte unermesslich große Not (auch wenn die Nachrichten darüber im Corona-Getöse leider im Moment total untergehen). In diesen unsicheren Krisenzeiten wird durch die fortschreitende Nutzung der digitalen Medien nicht nur seriöse Berichterstattung verbreitet, sondern es wachsen in erschreckendem Maße auch Misstrauen gegenüber Politik und Medien, Fake News und abstruse Verschwörungstheorien. Die Wissenschaft hat besonders in der aktuellen Situation die Aufgabe, solchen Entwicklungen entschieden entgegen zu treten und mit belegbaren Forschungsergebnissen die verschiedensten Sachverhalte verständlich darzulegen, ins Gespräch zu gehen und zu erklären.
Damit steht auch unsere Hochschule in der Pflicht, im Kontakt mit Menschen außerhalb des akademischen Dunstkreises wichtige Themen und Technologien, die unseren Alltag und unsere Zukunft mitgestalten werden – sowie die Vorgehensweise von Wissenschaftler:innen an sich – sichtbar zu machen und in einen regelmäßigen Austausch mit der Gesellschaft zu kommen.
TRANSFER von Hochschulen in die Gesellschaft (und wieder zurück) ist keine Fleißaufgabe – er ist neben Lehre und Forschung unsere „Dritte Mission“. Dieser Bereich rückt in den letzten Jahren grundsätzlich und flächendeckend immer mehr in den Fokus des Interesses und des Handelns an Hochschulen. Denn er ist sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich als extrem wichtig anzusehen und hat die Aufgabe, ungenutzte Potenziale zu nutzen, durch Kollaboration bessere Lösungen für vielfältige Probleme zu finden und – nicht zuletzt – den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu fördern. Diese Anforderungen finden sich auch immer mehr in öffentlichen Ausschreibungen wieder und sind ein wichtiger Teil in vielen Projekten. Aber was bedeutet Transfer eigentlich genau, was tun wir dafür und wo stehen wir im Vergleich zu anderen? Hier kommen ein paar Gedanken dazu.
Wissens- und Technologietransfer (WTT): erfolgreiche Kooperationen mit Unternehmen
Nach der weit gefassten Definition von Transfer als wechselseitigem Austausch von Wissen, Ideen und Technologien zwischen Hochschulen und externen Partnern (also Vertretern aus der Wirtschaft, der Politik und/oder Zivilgesellschaft), gibt es auch ein etwas enger gefasstes Verständnis, das sich im Begriff Wissens- und Technologietransfer wiederfindet.
Der Arbeitsbereich WTT ist mittlerweile in der Regel fester Bestandteil an deutschen Hochschulen. Dahinter stehen Mitarbeiterinnen, die versuchen, die Netzwerke zwischen Wissenschaftlern und Akteuren außerhalb der Hochschule aufzubauen und zu pflegen. Das Endziel dieser Bemühungen sind erfolgreiche Kooperationen zwischen Forschenden und Wirtschaftsunternehmen, in denen Ressourcen und Know-How beider Seiten miteinander vereint werden. Im Speziellen sind Unternehmensvertreterinnen wichtige Ansprechpartner für die Transferbeauftragten, um die Bedarfe aus der Wirtschaft zu erfahren und an interessierte Forschende weitergeben zu können sowie Partner für Forschungsprojekte zu finden. So kann WTT zur technischen Nutzbarkeit und kommerziellen Verwertung von wissenschaftlichen Erkenntnissen beitragen.
Insbesondere in unseren Technologie Campus bieten wir von der THD den Unternehmen in den Regionen beispielhaften WTT an. Durch sie wird ein in Bayern bislang einmaliges Konzept umgesetzt: Eine Hochschule öffnet sich konsequent der Industrie und arbeitet eng mit Kommunen und der regionalen Wirtschaft an der Entwicklung für eine ganze Region. Die THD setzt ihre Kompetenz und hochwertigen Geräte zur Stärkung der regionalen Firmen ein. Damit wird das Prinzip der Wertschöpfung innerhalb der Region erfolgreich umgesetzt. Die Technologie Campus sind bewusst in ländlichen Regionen angesiedelt, um hier den Technologie- und Wissenstransfer aus und für die Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen.
Diesen Weg einzugehen war ein grandioser Plan, den wir weiter ausbauen und mit Leben füllen müssen!
Auch in der Hightech Strategie 2025 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist nachzulesen, dass in den nächsten Jahren insbesondere „innovative Formen der Zusammenarbeit“ gefördert werden sollen, die „Denkräume ermöglichen und neue Akteure in das Innovationsgeschehen einbeziehen“ sowie Kooperationen möglich machen. Genauso wie Großunternehmen sollen sowohl Start-ups als auch KMUs und Nutzerinnen (also Privatpersonen) von diesen neuen Kooperationen und Partizipationsformen profitieren und über wissenschaftliche Erkenntnisse aufgeklärt werden. Genau diese Anforderungen müssen wir in unseren Projektanträgen immer mehr mitdenken und explizit abdecken.
CHE-Hochschulranking: Unser Transfer im Vergleich zu anderen
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das regelmäßig Beiträge zu relevanten Themen an deutschen Hochschulen veröffentlicht, hat in den vergangenen Wintermonaten 38 Transferstellen an deutschen Universitäten und HAWs zum Thema befragt und in seiner Publikation CHECK im April 2020 bereit gestellt.
Die CHE-Befragung hat ergeben, dass in 90 Prozent der teilnehmenden Hochschulen Transfer bereits Teil der Hochschulmission ist. Die Mitarbeiterinnen in den Transferstellen werden auf die Gesamtheit der befragten Hochschulen zur Hälfte durch die eigene Hochschule grundfinanziert, zur anderen Hälfte finanzieren sie sich über Projekte. Alle dieser Transferstellen sind – wie bei uns auch – für den Technologietransfer zuständig. Zwischen rund 65 und 85 Prozent sind zudem auch für die Bereiche Patente und Lizenzen, Wissenstransfer, Gründungen und Beteiligungen sowie die Forschungsförderung zuständig. Die meisten Transferstellen beraten hinsichtlich Fördermöglichkeiten von Transfer, Antragstellung von Transferprojekten, Erfindungen, Gründungen und Kooperationsmöglichkeiten mit externen Partnern. An den meisten Hochschulen passiert diese Arbeit regelmäßig in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen. Auch die Organisation verschiedener (Transfer-)Veranstaltungen gehört an den befragten Hochschulen zum Alltag der Transferstellen.
Insgesamt sind zwischen 2006 und 2016 die Einnahmen an Drittmitteln aus der Wirtschaft durch gesteigerten Transfer an den befragten Hochschulen um 45 Prozent gestiegen. Auch das zeigt die steigende Bedeutung von Transferarbeit.
Was den Vergleich unserer Hochschule mit anderen angeht, haben weitere Untersuchungen ergeben, dass wir zwar an manchen Stellen weniger Angebote haben als andere – beispielsweise beim Thema Informationsveranstaltungen zur Projektverwaltung – aber dafür in anderen Bereichen überdurchschnittlich gute Aktivitäten anbieten. Hierzu gehört die Vergabe von Preisen und Sondermitteln für die Durchführung von Third Mission-Aktionen und die Qualitätssicherungsverfahren in Bezug auf Kooperationen mit externen Partnern. Zudem weist die THD überdurchschnittliche Werte bei den Gesamteinnahmen sowie den eingeworbenen Drittmitteln von Stiftungen und aus der Wirtschaft (beispielhaft für das Jahr 2017 evaluiert) auf.
Beim Thema systematische strategische Partnerschaften in die Politik stehen wir schlechter da als andere Hochschulen. Dem steht gegenüber, dass die THD innerhalb der Benchmarking-Gruppe gut etablierte Einrichtungen zur Förderung der direkten Zusammenarbeit zwischen Hochschulangehörigen und Unternehmen hat. Wir bieten die systematische Identifikation von Innovationspotenzialen innerhalb der Hochschule und ein zentralisiertes Wissensmanagementsystem für Hochschulangehörige im Bereich der „Third Mission“ als Unterstützungsleistungen an. Außerdem liegt die Anzahl der erteilten Patente an der THD über dem Durchschnitt der Benchmarking-Gruppe.
Transfer für alle zum Nutzen aller
Darüber hinaus bieten Hochschulen im Allgemeinen und unsere THD im Speziellen weitere vielfältige Transferaktivitäten für unterschiedliche Zielgruppen an. Die Zielgruppen von Wissenschaftlerinnen weiten sich also bereits jetzt aus: Es gibt eine Öffnung hin zu Kindern, Schülern, Senioren, Berufstätigen, KMUs usw. Einige Beispiele für diese Angebote sind der „Tag der offenen Tür“ am Campus der THD, die Kinderuni, der öffentliche „Tag der Forschung“, Events für die Bevölkerung wie beispielsweise Sommerfeste an den verschiedenen Standorten, Vorträge von Forschenden vor „Laienpublikum“, die Teilnahme an Science-Slams und sonstigen Veranstaltungen anderer Partner, Vernetzungsevents wie die Karrieremessen und nicht zuletzt die vorbildlichen Aktivitäten unseres MINT-Teams. Die MINT-Förderung als Netzwerk von (Hoch-)Schulen, Unternehmen und Vereinen ist ein Paradebeispiel für Transfer nach außen, in die Gesellschaft. Ein niederschwelliges Angebot für eine Zielgruppe außerhalb der Hochschule, sich mit Wissenschaft und Technik zu beschäftigen und junge Menschen für naturwissenschaftliche Themen zu begeistern – einfach toll und zudem ziemlich erfolgreich!
Transfer ist demnach so viel mehr als die „einfache“ Akquise von Unternehmenspartnern (nicht im Sinne von leicht zu beschaffen, sondern von ausschließlich), um gemeinsame Projektanträge zu stellen. Jetzt bitte nicht falsch verstehen: Selbstverständlich, Forschungskooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen sind außerordentlich wichtig und gut, um neue, insbesondere anwendungsorientierte Erkenntnisse zu erlangen, neue Produkte und/oder Technologien zu entwickeln, die Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern und so weiter… Transfer ist auch mehr als ein (im Zweifel ziemlich unübersichtliches) wissenschaftliches Poster, das außerhalb der eigenen Forschungs-Filterblase niemand verstehen kann. Auch hier: Die Poster sind sehr wichtig für die wissenschaftliche Community und die individuelle Präsentation/Karriere einer Forschenden, die Reputation der Hochschule etc.
Aber: Transfer ist mehr! Er erfordert eine Kultur des „Sich-Öffnens“ nach außen, eine Kultur der respektvollen und offenen Kommunikation mit verschiedenen Stakeholdern und Akteuren außerhalb des eigenen Lehr- und Forschungsbereichs. Transfer, immer verbunden mit guter Kommunikationsarbeit, ist das Mittel der Wahl, um die Deutungshoheit der Wissenschaft als solche aufrechtzuerhalten.
Ein ausschlaggebender Punkt dafür ist die Bereitschaft und der Einsatz von Wissenschaftlerinnen, an einer gesamtgesellschaftlichen Kultur des Vertrauens in die Wissenschaft und in ihre Erkenntnisse mitzuarbeiten. Dazu muss Transfer beitragen. Wir als staatlich finanzierte Hochschule sind verpflichtet, unser Tun für die Zivilgesellschaft offenzulegen und nutzbar zu machen.
Wir müssen technologische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen und ihre Folgen erklären und ins Gespräch kommen mit Mitmenschen, die wir außerhalb der eigenen Bubble finden können. Wir müssen über unsere Erfindungen diskutieren, uns Fragen zur Sinnhaftigkeit und ethischen Bedeutung unserer Projekte stellen lassen und ein Gespür und Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten in der „breiten Gesellschaft“ vermitteln, um die Akzeptanz dafür zu erhöhen.
Im besten Fall wird so eine Entwicklung an der Hochschule übergeordnet unterstützt. Und es braucht selbstredend Wissenschaftler, die „rausgehen“ und ihre Arbeit in vereinfachter Weise erklären und über sie diskutieren können. Ein tolles neues Format unserer THD-Wissenschaftskommunikation ist zum Beispiel die „Science Bench“: Professoren setzen sich an belebten Plätzen in den Innenstädten von Deggendorf oder Pfarrkirchen auf eine Bank und unterhalten sich zwanglos mit Passanten über ihre Forschung und das Leben als Forschende. Sie kommen aus dem „Elfenbeinturm“ der Hochschule heraus, sind nahbar und geben unserer Hochschule ein Gesicht. Bitte mehr davon!
Die im Moment sehr gehypten und viel beschäftigten Virologen des Landes machen es vor und alle dürfen öffentlich am Lernprozess dieser Wissenschaftler teilhaben, die unter vereinten Kräften Daten sammeln, forschen und entwickeln – aber sich eben auch nach außen zeigen, kommunizieren, erklären. Selbst, wenn es dadurch neue Herausforderungen zu bestreiten gilt und Fehler passieren können.
Wovon ich jedenfalls überzeugt bin: Durch noch engere Verzahnung unserer Organisationseinheiten, durch weiterhin viel Team- und Freigeist in der Umsetzung von Projekten und der Aufhebung von Scheuklappen-Denken oder Profilierungsstreben einzelner kann es uns sicher gelingen, in Zukunft noch mehr Menschen anzusprechen und für die Wissenschaft, für die Forschung und für unsere Hochschule zu begeistern. Immer die Menschen im Blick, für die unsere Forschung gemacht werden soll bzw. die einen Nutzen durch unsere Arbeit haben können. So werden wir – neben der Ausbildung unserer Studierenden und der Erzielung von Forschungsergebnissen an sich – einen weiteren sehr wichtigen Beitrag für eine gute Zukunft in Deutschland, Europa und weltweit leisten! Gegen absurde Theorien, Vorurteile und Meinungsmache – für tolle Innovationen durch Kombination von Wissen vielfältiger Art und Quellen und damit für den Aufbau und Erhalt von Wohlstand, Zusammenhalt und Frieden in unserer Gesellschaft.
Anja Weber ist Staatswissenschaftlerin und hat nach ihrem Studium an der Universität Passau die Unternehmenskommunikation für zwei internationale forschende Konzerne im Gesundheitswesen mitgestaltet. Seit etwa einem Jahr arbeitet sie im Team Wissens- und Technologietransfer – zunächst für den ECRI und seit 2020 im Projekt TRIO – daran mit, den Transfer an der THD weiter auszubauen.