„Meet a German“ klingt fast wie eine Sensation in einem Kuriositätenkabinett. Klingt nach etwas, wofür man Eintritt bezahlt, nach jemandem, der etwas besonders gut kann oder eine besondere Leistung hervorgebracht hat. Hab ich aber nicht. Ich bin einfach nur Deutsche. Aber wenn das reicht, bitte schön.
Wunderbar – together!
Als ehemalige Fulbright Stipendiatin bekam ich die Einladung zum German-American Day, der jährlich am 6. Oktober gefeiert wird. Dieser Tag soll an das deutsche Erbe für die Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft erinnern und „first-hand experience of German culture“ vermitteln. Ich sollte eine amerikanischen High School Klasse besuchen, virtuell versteht sich. Da ich sehr dankbar für meine damalige USA-Reise war, habe ich spontan zugesagt. Viele Fragen gingen mir durch den Kopf: Ist das Treffen auf Deutsch oder Englisch? Was interessiert amerikanische Schüler? Was darf man überhaupt sagen über Stereotype und Vorurteile zwischen Deutschland und Amerika? Wenn ich in meiner Küche sitze, denken die Schüler in USA alle Deutschen haben so altes Zeugs? (Ich mag gern alte Sachen). Soll ich eine Präsentation vorbereiten? Wenn nicht, bin ich spontan und repräsentativ genug, um für ganz Deutschland zu antworten? Bin ich eine gute Wahl oder bekommen die Schüler einen völlig falschen Eindruck von „den Deutschen“? Ich wusste nicht, soll ich Bayerische Tradition von Oktoberfest bis Dirndl bedienen oder ist das zu platt? Eines wusste ich aber ganz sicher: Das im Fulbright-Training angesprochene Thema „deutsches Schwarzbrot“ ist nichts, worüber 16-jährige mit mir sprechen wollen. Und ich auch nicht mit ihnen. Ich mag kein Schwarzbrot. In der Vorbereitung erfahre ich, dass die deutschen Teilnehmer nicht alle zufrieden sind mit ihren Deutschlehrern in USA. Ganz anders bei mir und meiner Kontakt-Deutschlehrerin: Ewa ist ein absoluter Glücksfall. Sowohl ihr Deutsch als auch ihr Musikgeschmack sind exzellent. Unsere Kommunikation stockt nur am Anfang, da ich noch in Italien bin. Das schreibe ich Ewa auch. Ihre Antwort überwältigt mich: „Wie toll, Urlaub in Italien! Da muss ich gleich an das Lied von Erobique denken.“ Wer so schräge Songs gut findet, ist sicherlich auch gut drauf. Ewa kann ich jetzt schon leiden.
Typisch Deutsch
Ich habe Ewa als Thema das deutsche Bildungs- und Hochschulsystem vorgeschlagen. Mit Schwerpunkt THD. Die USA sind schließlich ein toller Markt für uns, ein paar neue Studierende könnten nicht schaden. Aber Ewa hat mich ganz sanft in die Richtung einer Q & A Session gelenkt. „Wäre es doch nicht so viel Aufwand für dich, wenn die Schüler Fragen vorbereiten“, meinte sie. Und genau richtig für mich als Deutsche, die gerne vorbereitet ist, bietet sie mir an, die Fragen vorab zu senden. Also so ungefähr: Wo mach ich in Deutschland Urlaub? Was esse ich am liebsten? Mein schönstes Fest? Unterschiede im Bildungssystem? Ist das Leben in Deutschland ruhig oder verrückt? Besonders eine Frage hat mich zum Nachdenken gebracht: „Wie war das für dich persönlich mit dem geteilten Deutschland und dem eisernen Vorhang?“ Auch die Suche nach meinem deutschen Lieblingswort begleitete mich ein paar Tage. Jeden, den ich traf, fragte ich nach seinem Lieblingswort. »Sehnsucht« und »Servus« waren am Ende meine Favoriten. »Sehnsucht«, weil es so schön klingt und direkt aus dem Bauch herauskommt. »Servus«, weil es so praktisch ist. Mein bayerisches Lieblingswort wäre »Kasperl«, kann es doch je nach Betonung und Einsatz ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Aber das würde wirklich zu weit führen.
Kaffee und Kuchen
Dank Corona bin ich schließlich mit einer Schulklasse in Oregon verbunden. Ganz sicher wäre das vor der Pandemie so nicht möglich gewesen. Die Schüler machen es sich bei Apfelkuchen und Kaffee in der Pause gemütlich, ich bin am großen Bildschirm via Zoom zugeschaltet. Ewa hat mir vorgeschlagen, die Session auf Deutsch zu halten. Meine Antworten zeige ich in einer Präsentation mit vielen Bilder. Auch wenn die Schüler nicht alle Wörter direkt verstehen, können sie mit Hilfe der Illustrationen doch alles korrekt checken. Ich selbst durfte ebenfalls Fragen stellen. Mich hat brennend interessiert, warum jemand in den USA Deutsch lernen möchte. Die Schüler meinten, das ginge nach dem Ausschlussprinzip, sie hatten keine Lust auf Spanisch. Nett war noch, dass es einen Austausch dieser Schule mit Mainburg in der Hallertau gibt, also gleich bei uns in Niederbayern ums Eck. Vielleicht treffe ich also bald meine amerikanische Schulklasse, zu der ich bis vor kurzem noch keinen Bezug hatte. Und Ewa schaut kurz bei mir vorbei. Bevor sie Urlaub in Italien macht.
Martina Heim
Martina Heim ist Marketingexpertin und leitet seit 2018 den Bereich Kommunikation und Marketing an der THD. Vorher war sie im Zentrum für Karriere, Internationales und Sprachen für Career Service, Alumni, Duales Studium, Stipendienprogramme, MINT-Förderung und Family Affairs verantwortlich. Sie kennt deshalb die THD sowie die Hochschullandschaft aus dem FF.