„Die größte Schwierigkeit im Projekt DeinHaus 4.0 wird es sein, freiwillige Seniorinnen und Senioren zu finden, die digitale Assistenzsysteme im eigenen Haushalt testen wollen.“ Immer wieder hörten wir diese Aussage von Personen, mit denen wir über unser Vorhaben sprachen. Nicht nur im Gespräch mit anderen Fachpersonen, sondern auch von der Zielgruppe selbst. So dachten wir zu Beginn unserer Rekrutierungsphase auch, dass das Finden von 100 freiwilligen Testhaushalten ein Problem darstellen würde. Glücklicherweise wurden wir eines Besseren belehrt.
Zahlreiche Anrufe von interessierten Personen - viele weit über 70 Jahre alt - gingen bereits in den ersten Wochen des Bewerbungszeitraums bei uns ein. Mittlerweile ist die Anzahl an Anfragen bereits dreistellig. Viele informierten sich über die unterschiedlichen Möglichkeiten digitaler Unterstützung im Alltag und zum generellen Ablauf der DeinHaus 4.0-Studie. Woher kommt also dieses Vorurteil? Oder anders gefragt, sind Seniorinnen und Senioren gegenüber neuen Technologien doch offener, als von der Mehrheit der Bevölkerung erwartet?
Auch die Großeltern wollen wissen, was dieses „WhatsApp“ ist
Für mich war es eine tolle Erfahrung, die telefonischen Anfragen der Interessierten entgegen nehmen zu dürfen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dabei kristallisierte sich heraus, dass es eine große Menge an unterschiedlichen Beweggründen gibt, weshalb Personen Interesse am Projekt DeinHaus 4.0 haben. Oft wurde mir von den Seniorinnen und Senioren erzählt, dass sie einfach „am Ball bleiben wollen“ und nicht abgehängt werden möchten. Zu sehen, wie selbstverständlich Enkelkinder - oder oft auch schon Urenkelkinder - beispielsweise mit Smartphones umgehen, beindruckt. Dadurch entsteht auch eine gewisse Neugierde, welche Vorteile durch die Nutzung solcher Geräte entstehen können. Man gehört einfach mit dazu, bleibt auf dem Laufenden, nutzt den neuesten technischen Stand und kann durch neue Kommunikationsformen Kontakte pflegen.
Sicherheit, Komfort – und ein wichtiger Beitrag zur Forschung
Neben der Möglichkeit zur „modernen“ Kommunikation stehen auch Sicherheit und Komfort bei vielen Personen im Vordergrund. Wenn durch den Einsatz von digitalen Lösungen ein selbstständiges und weitestgehend unabhängiges „längeres Leben Zuhause“ möglich werden kann, dann sei man offen, dies auszuprobieren. Viele denken auch an den wichtigen Beitrag, den sie durch die Teilnahme an einem Forschungsprojekt für die Gesellschaft leisten können. „Ich wünsche mir, dass solche Lösungen auch nach Projektende genutzt und stets weiterentwickelt werden, damit dadurch nicht nur wir, sondern auch nachfolgende Generationen profitieren können,“ erzählte mir beispielsweise eine Seniorin am Telefon. Nur wenn der eigene Bedarf und Nutzen an digitalen Unterstützungsmöglichkeiten erkannt wird, können die Chancen durch die Digitalisierung auch genutzt werden.
Von Technik-Neulingen bis zu den „Alten Hasen“
Mir fiel aber auch auf, dass eine Vielzahl der interessierten Personen oft schon eine gewisse Vorerfahrung mit digitaler Technik hat. Sei es durch das Berufsleben, in dem sie noch mit der Umstellung auf PCs in Berührung gekommen sind, oder weil sie durch die eigenen Kinder an den Computer, ans Schreiben von E-Mails oder an die Nutzung eines Smartphones herangeführt wurden. Diese Personen sind bereits oft überzeugt vom Mehrwert digitaler Technik und möchten weitere Geräte und Möglichkeiten kennen lernen. Parallel dazu trauen sich einige Interessierte mit ihrer Studienteilnahme zum allerersten Mal an digitale Technik und Smart-Home-Lösungen heran. Für sie ist es eine Erleichterung zu wissen, dass Sie im Projekt nicht mit Sensoren und Internet allein gelassen werden, sondern sich mit fachlicher Unterstützung an das Thema herantasten können. Nach dem heutigen Stand haben bereits über 150 Personen Interesse an einer Studienteilnahme bezeugt und wir haben beinahe 90 Bewerbungen erhalten. Daran, dass wir bis Studienbeginn unsere 100 Testhaushalte gefunden haben, zweifeln wir heute nicht mehr.
Karolin Michl ist Projektmitarbeiterin des Projektes DeinHaus 4.0. Sie schreibt regelmäßig über den Fortgang und über das Umfeld dieses Forschungsprojekts. Das Projekt DeinHaus 4.0 wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert und hat eine Projektlaufzeit von fünf Jahren. Techniker und Wissenschaftlerinnen beschäftigen sich im Rahmen des Projektes mit dem Thema „LÄNGER LEBEN ZUHAUSE“ mittels digitaler Technik (Ambient-Assisted-Living; AAL). Dazu wurden bereits im Jahr 2019 zwei Mustereinrichtungen in Osterhofen und Deggendorf mit AAL-Lösungen ausgestattet, um die breite Bevölkerung zu informieren und Hemmschwellen in Bezug auf digitale Geräte abzubauen.