Jedes Jahr zur Frühjahrszeit häufen sich die Zeitungsberichte zum Thema Wildunfälle. Seit Jahren lese ich Titel, wie „Wildunfälle erreichen neue Höchststände“ oder „Zahl der Wildunfälle steigt drastisch“. Erst diese Woche schreibt die Mittelbayerische Zeitung „Wildunfälle auf Rekordhoch“. Mir stellen sich dazu zwei Fragen: Ist dies wirklich so? Und wenn ja, warum?
Es war im Jahr 2016. Unbekümmert fuhr ich abends mit meinem Studienkollegen und jetzigen Mitgründer Alexander Böckl vom Masterstudium in Linz nach Hause. Plötzlich lief uns ein Reh vor die Motorhaube, wir konnten nicht mehr bremsen und es krachte. Obwohl es beim leichten Blechschaden blieb, mir die Situation des Zusammenstoßes sehr gut in Erinnerung. Es könnte gestern gewesen sein. Die Abwicklung mit Polizei und ansässigem Jäger dauerte knapp 1,5 Stunden, bis wir endlich weiterfahren durften. Vom Tier fehlte jede Spur, wahrscheinlich verendete es qualvoll. Dies tut mir immer noch sehr leid!
Nach diesem Unfall beschäftigten wir uns zum ersten Mal mit dem Thema Wildunfälle! Nach heutiger Erfahrung kann ich sagen: „Ja!“ Es ist eine unterschätzte Unfallgefahr! Kaum einer weiß, dass in Deutschland alle zwei Minuten ein Wildunfall passiert. Insbesondere Bayern ist ein Schwerpunktbundesland mit über 80.000 gemeldeten Wildunfällen im Jahr. Damit stellen Wildunfälle eine der häufigsten Unfallursachen im Straßenverkehr dar. Es muss also viel Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung betrieben werden, weshalb ich die Pressearbeit in diesem Themenkontext sehr begrüße. Die genannten Unfallzahlen, die häufig in Zeitungsberichten genannt werden, könnten allerdings ein falsches Bild vermitteln. Grundlage hierfür sind nämlich tatsächlich den Verbänden und Behörden gemeldete Unfälle. Es muss sich also die Frage gestellt werden, ob auch wirklich jeder Unfall gemeldet wird. Ich sage Nein!
Grundsätzlich gilt, jeder Wildunfall ist anzeigepflichtig! Ansonsten verstößt man gegen das Tierschutzgesetz! Laut meiner Erfahrung werden aber Wildunfälle häufig nur gemeldet, wenn man von der Polizei oder dem Jäger eine sog. Wildunfallbescheinigung benötigt, damit man den Schaden bei seiner KFZ-Versicherung erstatten kann. In der KFZ-Haftpflichtversicherung sind aber Wildunfälle keine versicherten Schäden. Hier benötigt man eine Voll- oder Teilkaskoversicherung. Dieser Meldegrund fällt also weg. Weiterhin verursachen Wildschäden vor allem mit Niederwild (Feldhase, Fuchs, Dachs) keine spürbaren Schäden am Auto oder LKW. Hier wird oftmals einfach weitergefahren. Diese Unfallzahlen werden also in keiner Statistik erfasst. Nach eigenen Recherchen und anhand von Aussagen von Jägerinnern und Verbänden schätze ich die tatsächlichen Fallwildzahlen in diesem Bereich zwei- bis sogar fünfmal so hoch ein. Es existiert also seit jeher eine sehr hohe Dunkelziffer.
Folglich stellt sich also die Frage: Sind die Wildunfälle wirklich mehr geworden oder hat sich in jüngster Zeit das Meldeverhalten geändert?
Ich denke beides ist zutreffend. Aufgrund der stets zunehmenden Mobilität auch im ländlichen Raum zerschneiden wir immer mehr den Lebensraum der Wildtiere, Rückzugsflächen werden kleiner, das Gefahrenpotential steigt. Weiterhin erlebe ich immer mehr Sportler und Wanderer in unseren Feldern und Wäldern. Dies erhöht zunehmend den „Freizeitdruck“ auf die Wildtiere, weshalb sie aktiver an Ausweichorte flüchten müssen, oftmals verbunden mit einer Straßenquerung.
Spricht man mit Unfallverursachern, so höre ich auch mittlerweile häufiger, dass von den KFZ-Versicherern ausschließlich eine polizeilich ausgestellte Wildunfallbescheinigung als Beweisdokument verlangt wird, um den Schaden ersetzen zu können. Um diese Bescheinigung zu erhalten, muss der Unfall bei der örtlich zuständigen Polizeidienststelle angezeigt werden. Früher reichte oftmals auch eine Bescheinigung vom verantwortlichen Jagdrevier-Inhaber, teilweise ohne offizielle Weitermeldung an die Behörden.
Unabhängig davon, ob es an einem geänderten Meldeverhalten oder tatsächlich einer Steigerung der Unfallzahlen liegt, stellt sich die viel wichtigere Frage nach dem Warum und wie man sie verhindern kann.
Die Frage nach dem Warum habe ich für mich eindeutig beantwortet. Es liegt an der Schuldfrage. Es herrscht die weitläufige Meinung, dass unsere Wildtiere die Schuld an einem Wildunfall tragen oder es höhere Gewalt ist. Darum dominiert im Bereich der Wildunfallprävention seit zwanzig Jahren der Ansatz durch diverse Maßnahmen das Wildtier von der Fahrbahn fernzuhalten, damit wir ungehindert unsere Mobilität ausleben können. Beispiele sind hier Lichtschranken, Reflektoren am Straßenpfosten oder Duftzäune. Der Erfolg der Maßnahmen ist vor allem im langfristigen Zeithorizont sehr fraglich, da sich die Wildtiere schnell an solche Maßnahmen gewöhnen oder sich der Wildwechselpfad über die Jahreszeit verändert.
Meine Gründerkollegen und ich sind der Meinung, dass wir die hohen Wildunfallzahlen nachhaltig nur eindämmen können, wenn wir beim Verkehrsteilnehmer ansetzen. Dieser ist aus unserer Sicht hauptverantwortlich für einen Wildunfall durch unachtsames, teilweise zu schnelles Fahren, sodass er nicht mehr rechtzeitig bremsen kann. Zudem entwickelt man ein wirkliches Verständnis zu diesem Unfallpotential erst dann, wenn man auch tatsächlich einen solchen Unfall erlebt hat. Aufklärung durch Presse, Verbände, Behörden und Fahrschulen bleiben leider oftmals nur kurzeitig im Gedächtnis.
Dies ist auch der Grund warum wir unser Startup wuidi gegründet haben. Wir wollen damit diese Unfallgefahr nachhaltig reduzieren und haben hierfür einen Service für den Autofahrer entwickelt.
Der digitale Wildwarner warnt Autofahrer bei der Fahrt durch Gefahrengebiete mit erhöhtem Wildwechsel, erstmals orts- und zeitabhängig. Die Warnung erfolgt entweder über eine App oder dank Bluetooth-Kopplung direkt über das Automobil. Dank eines Hintergrundmodus ist keine Bedienung während der Fahrt notwendig und kann dadurch problemlos im Straßenverkehr eingesetzt werden.
Kommt es dennoch zu einem Wildunfall, erhält der Nutzer eine Schritt-für-Schritt-Anleitung und auf Basis der GPS-Lokalisierung die Kontaktdaten des zuständigen Ansprechpartners, der Polizeidienststelle oder des Jagdrevier-Inhabers.
Mit unserem Navigationsgeräte Service stellen wir dir alle Gefahrenabschnitte mit erhöhter Wildwechsel-Gefahr kostenlos zum Download zur Verfügung. Dies ist die perfekte Ergänzung zu unserer Wildwarner App. Hier stehen dir mit wenigen Klicks und ohne großen Installationsaufwand die Gefahrenabschnitte für alle gängigen Navigationsgeräte (Mobil + Festeinbau) als so genannte Point of Interests (POIs) bereit. Die Gefahrenabschnitte werden täglich aktualisiert.
Diese Gründung ermöglicht hat das EXIST Gründerstipendium, welches wir mit Hilfe des Startup Campus der Technischen Hochschule Deggendorf erhalten haben. So konnten wir das erste Jahr mit viel Unterstützung unser Startup aufbauen und finanzieren. Weiterführend arbeiten wir seitdem gemeinsam mit dem Technologiecampus Freyung der THD in einem Forschungsprojekt an der Veredelung unserer grundlegenden Datenalgorithmik zur Berechnung der Gefahrenabschnitte mit erhöhter Wildwechsel-Gefahr.
Das WilDa genannte Projekt entwickelt auf Basis von Wildunfalldaten, mit Hilfe von Geo-, Verkehrs-, Wetter- und Umweltdaten und unter Berücksichtigung des Wildtierverhaltens ein Verfahren zur Analyse von Wildunfällen. Dieses stellt sowohl die Grundlage für zeitlich und räumlich optimierte Wildwarnungen (z. B. auf digitalen Endgeräten der Verkehrsteilnehmer) als auch eine verbesserte Planungsgrundlage für Schutzmaßnahmen (z. B. Zäune und Grünbrücken) dar.
Wir tun also bereits sehr viel, die Präventionsmaßnahmen mehr auf den Verkehrsteilnehmer auszurichten und so die hohen Fallzahlen zu reduzieren. Die Integration ins Automobil ist der nächste logische Schritt, um eine noch größere Anzahl an Autofahrern zu erreichen! Bis dahin bleibt mir abschließend zu sagen: „Bleibt wildunfallfrei!“
Alfons Weinzierl
Alfons Weinzierl ist Mitgründer des Startups wuidi – Die Nr. 1 Wildwarner. Aufgrund eigener Wildunfallerfahrung entwickelte er zusammen mit Alexander Böckl und Jozo Lagetar einen digitalen Service zur intelligenten Wildunfallvermeidung und -abwicklung, die Wildwarner App. Zusammen mit dem Technologiecampus Freyung der THD forscht das Gründerteam an Einflussfaktoren für erhöhten Wildwechsel, um Gefahrenabschnitte abhängig von Ort und Zeit besser vorhersagen zu können.
Steckbrief Startup wuidi: