Zu Studieninteressierten sage ich regelmäßig, „es ist egal, was Sie studieren, Hauptsache Sie werden Ingenieur.“ Natürlich will ich damit nicht andere Studiengänge diskriminieren, aber ich mache gerne Werbung für meinen Berufsstand. Warum? Weil der Ingenieurberuf für mich eine Grundhaltung ist. Ein Ingenieur ist ein Problemlöser. Als Ingenieurin oder Ingenieur verinnerlicht man ein systematisches Vorgehen, um offene Fragen genau zu umreißen und konsequent eine innovative Lösung zu ermitteln und umzusetzen. Im Ingenieurstudium vermitteln wir natürlich auch Fachkompetenz in konkreten Anwendungsgebieten. Im Kern aber zielt unsere Lehre darauf ab, erfolgreiche Problemlöser auszubilden. Das sind Menschen, die über ein gutes Verständnis für grundlegende Zusammenhänge, Eigenschaften und Größenordnungen in ihrem Wirkungsgebiet verfügen. Sie haben ein methodisches, zielgerichtetes Vorgehen verinnerlicht und sind mit Kreativität, Neugier und einem kaum zu bändigenden Schaffensdrang ausgestattet. Aus diesen Zutaten schaffen Ingenieure Innovationen.
Der Mensch an erster Stelle
Warum erzähle ich das? Stephan A. Jansen, Professor unter anderem am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, hat in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin brand eins spekuliert, dass in den nächsten zehn Jahren die Qualität des Personals den Unterschied ausmachen werde, denn Algorithmen und Robotik seien für alle gleich. Aus meiner Sicht stand die Technik jedoch noch nie an erster Stelle vor dem Menschen. Und das wird hoffentlich auch nie geschehen. Ob Robotik, Künstliche Intelligenz oder der gute alte Webstuhl: Das alles sind Werkzeuge, die von Ingenieuren geschaffen werden. Schon immer war es die Kompetenz und Leistung der Menschen, die für den Nutzen und die Sicherheit der Technik den Ausschlag gab. Das beurteile ich so aus meiner persönlichen Berufs- und Lebenserfahrung als Führungskraft in mehreren Unternehmen, die auf Ihrem Gebiet jeweils globale technologische Champions sind, als Unternehmer und als Hochschullehrer. Diese Überzeugung versuche ich auch den Studierenden zu vermitteln.
Verzahnung – Von Technologien und Ingenieuren
Es ändert sich also nichts? Nein, ganz im Gegenteil: Das Innovationstempo scheint stetig zuzunehmen. Die immer engere Verzahnung aller Technologien, einschließlich der tiefen Durchdringung aller Technikfelder mit Software fordert auch eine stärkere Vernetzung aller Ingenieursdisziplinen. Fast jedes technische Produkt hat heute eine Systemarchitektur: Sie beschreibt, wie Technologien und Module verzahnt ineinandergreifen. Eine Kaffeemaschine war früher ein einfach zu überschauendes technisches Produkt. Heute kommen Mechanik, Elektronik und eingebettete Software zusammen. Sie hat ein "UI", ein User Interface zur Interaktion, und hängt unter Umständen sogar per Alexa an der Cloud. So wie verschiedene Technologien in Produkten eng ineinandergreifen, müssen sich auch Ingenieure interdisziplinär in Teams verzahnen.
Schnittstelle zwischen Mensch und Technik
Die Fakultät Maschinenbau und Mechatronik wird von einem Beirat aus Führungskräften der regionalen Wirtschaft beraten. Alle Beiratsmitglieder sagen uns, dass die wichtigste Erwartung an unsere Absolventen ist, fachübergreifend, effizient und zielgerichtet in Projektteams zusammenzuarbeiten. Wir richten unser Studienangebot konsequent nach dieser Maßgabe aus. Mechatronik-Ingenieure und -Ingenieurinnen sind beispielsweise typische Systemarchitekten. Unsere Ingenieure für technisches Design haben die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik im Fokus. Unsere Maschinenbau-Ingenieure sind sehr stark in der konstruktiven Umsetzung mit innovativen Materialen und der Nutzung modernster Entwurfs- und Simulationswerkzeuge. Wir vernetzen unsere Studiengänge über gemeinsame Projekte, die von studiengangsübergreifenden Teams durchgeführt werden. Unser neuer Studiengang Technisches Design ist dabei ein echter Innovationsmotor, weil viele namhafte Unternehmen auf uns aufmerksam werden und die Ideen unserer Studierenden in ihren kreativen Innovationsprozess einbauen möchten.
An einem Strang ziehen
Mein Fazit: Ja, ich gebe dem Kollegen Jansen absolut recht, der Mensch und seine Ausbildung sind der Schlüssel zum Erfolg. Das ist das Wesen der Innovation. Mehr denn je kommt es aber heute auch darauf an, dass die Menschen gemeinsam an einem Strang ziehen. Zu diesem Fazit kommen bestimmt nicht nur Ingenieurinnen und Ingenieure.
Peter Fröhlich
Prof. Dr.-Ing. Peter Fröhlich ist Dekan der Fakultät Maschinenbau und Mechatronik. Seine Lehrgebiete sind Innovationsmanagement, Elektrotechnik, Elektrische Antriebe sowie Embedded Systems. In der Forschung liegt der Fokus von Prof. Fröhlich auf Cyber-Security für die Industrie und kritische Infrastrukturen.